press-schlag : Klaglos am Spielfeldrand
Thomas von Heesen führt Arminia Bielefeld durchs Mittelfeld der Liga. Nicht nur das macht ihn interessant für die erfolglosen Großen der Szene
Früher einmal, es ist vielleicht ein paar Monate her, da war die Sache mit den Trainern ganz einfach: Im Zweifel sind sie immer schuld. Felix Magath kann ein Liedchen in mehreren Strophen von seinen vermeintlichen Verfehlungen singen, die ihm immer wieder unter die Nase gerieben wurden, weswegen manche inzwischen Mitleid mit dem gut versorgten Top-Angestellten aus München empfinden.
Hat er nicht alles richtig gemacht? Hat er nicht aus einer international mäßigen Combo das Beste herausgeholt und Inter, den notorischen Rohrkrepierer Italiens, souverän in der Champions League auf die Plätze verwiesen? Liegt er nicht in der Liga aussichtsreich genug, um nach guter Väter Sitte am Ende der Saison am Marienplatz zum dritten Mal in Serie die Schüssel in die Höhe zu recken? Und womöglich auch noch den Pokal, das dritte Double hintereinander? Eben. Doch Magath ist ein dankbarer Geselle, der isst, was auf den Tisch kommt. Klagen ob des Kaders? Fehlanzeige! Ansprüche in Form von teuren Transfers? Woher denn! Er macht eben alles mit den Mitteln, die er vorfindet, und so gut es geht. Dass ihm irgendwann einmal Limits gesetzt sind, hat er womöglich mit seinem Vorstandchef Rummenigge gemeinsam, dessen Visionen vom Fußball der Zukunft sich im lauten Ruf nach mehr Fernsehgeld erschöpfen.
Magath klagt nicht. In einem Geschäft, in dem Leisetreter leicht unter die Räder kommen, ist das zwar ein lobenswerter Zug, doch er ist der eigenen Karriere nicht eben förderlich. Ganz ähnlich verhält es sich übrigens auch mit Thomas von Heesen. Manche, die von Heesen länger beobachten, vernehmen deutlich seinen Unmut über die Bielefelder Einkaufspolitik. Er hat keine Möglichkeiten, doch er macht, auf bescheidenem Niveau, das Beste daraus. Das reicht zwar für einem Mitteklasse-Platz mit einem Abstiegskandidaten zur Halbserie, was mindestens halb so viel wert ist wie in München der Double-Gewinn, nicht aber für eine Vertragsverlängerung.
Von Heesen hat Bielefeld in dieser Spielzeit zu einem undankbaren Kontrahenten geformt. Zumindest die Bielefelder Konkurrenten goutieren die Arbeit des Trainers. Der Subtext einer jeden Trainerdiskussion verrät: An Thomas von Heesen wollen sie genesen. Sein Name kursiert in Hamburg, wo er zweifelsohne gut hinpassen würde, denn früher einmal war er einer der besten Mittelfeldspieler Deutschlands (und ganz sicher der beste, der nie für die Nationalelf auflief), der Titel um Titel mit den Hanseaten errang. In Schalke wurde der Name schon gehört, als es Mirko Slomka nicht allzu gut erging. Hans-Joachim Watzke, Dortmunds Chef, bestätigte, dass von Heesen sein Lieblingskandidat für die Zeit nach dem Niederländer Bert van Marwijk ist.
Es gibt ein paar Gründe, die für von Heesen sprechen. Bestechende Sachlichkeit im Auftritt, eine Rhetorik, die die Mannschaftsaufstellung mit der dazugehörigen taktischen Marschroute nicht gleich ins Reich der Geheimwissenschaft weist. Der Mann hat eine Idee vom Spiel, und dass alle das so bemerkenswert finden, sagt indirekt sehr viel über den Zustand der deutschen Trainer-Kaste aus. Ehedem hingen die Wissbegierigen von Heesens Vorgänger Uwe Rapolder an den Lippen, der viel Dampf um den so genannten Systemfußball machte. Weil der die Klasse gehalten und dabei viel gejammert hatte, galt Rapolder als Fußball-Intellektueller.
Geklagt hat von Heesen in aller Öffentlichkeit noch nicht. Das ist gefährlich. Denn wer weiß, wenn Felix Magath nicht mindestens das Double holt, um wieder eine Gnadenfrist von einem Jahr zu erhalten, dann ist der gelernte Hanseat von Heesen am Ende sogar noch einer für den FC Bayern. STEFAN OSTERHAUS