piwik no script img

press-schlagRadiophone Spaziergänge mit Milena (Teil 13)

Schalk entdeckt die Meisterschale

Das Dreirad stand lange unbeachtet auf dem Spielplatz herum, zu dem der Bundesligaspaziergang jetzt stets zu führen hat. Erst als ein anderes Kind sich draufsetzte, entsann Milena (3) sich in rabiatester Weise der Besitzverhältnisse. So ist das immer: Das teuerste Spielzeug staubt auf dem obersten Regalbrett ein – bis ein kleiner Gast sich dafür erwärmt. Dann geht der Kampf los.

Ähnlich scheint es mit der Meisterschaft zu sein. Bisher erinnerte der Titelkampf eher an die Schlussszene aus „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, in der Hugh Grant Andie McDowell den Antrag macht: „Könntest du dir vorstellen, nicht mit mir verheiratet zu sein?“ In den letzten Wochen schienen vier bis sieben Titelkandidaten (darunter wöchentlich ein Trauerfall) ihre Fans zu fragen: „Könntet ihr euch vorstellen, uns zu lieben, weil wir nicht deutscher Meister werden wollen?“

Am Samstag aber hat das Paradigma gewechselt: Ein vorwitziger Schalk hatte die schicke Meisterschale entdeckt, die unbeachtet in der Ecke lag, und begann sie mal näher zu beäugen (2:0 nach einer guten halben Stunde). Irgendwann merkte deren Eigentümer, der Bengel in den Lederhosen, was da vor sich ging, erinnerte sich seines Besitzes und spurtete hinterher. Drei Schritte vor dem Regal, um 17.12 Uhr, holte er den Gelsenkirchener Frechdachs ein. Das brachte den so durcheinander, dass er fast noch dem bösen Wolf zwischen die Zähne geraten wäre (89. Minute Anschlusstreffer, 90. Pfostenschuss). Und weil der Lederhosenbub erstens mehr Erfahrung im Erklettern des höchsten Regals, zweitens kein Auswärtsspiel mehr beim abstiegsbedrohten VfB Stuttgart und drittens im Jahre zwei nach Trapattoni den Catenaccio verstanden hat, werden es wohl mal wieder die Bayern. Zumal ihr Torwart nach Meinung einer stets bestechend formulierenden Expertin der Korruption unverdächtig ist: „Kahn ist derzeit in einer unbestechlichen Form“, stellte die daueraufgeregte Sabine Töpperwien fest.

Aber muss man überhaupt noch bestechen? Die Wirkung des Bosman-Urteils ist ja ein auf Dauer gestellter Bundesligaskandal: Söldner, denen es angesichts attraktiver Alternativangebote vollkommen wurscht ist, ob ihr vorübergehender Arbeitgeber absteigt oder nicht, machen den Fans in Cottbus, Frankfurt und Stuttgart das Leben schwer. Oder im Gegenteil: ganz leicht. Denn mit solchen Abzockertruppen leidet man nicht. Das tut man nur mit Mannschaften.

Live vom Thorwaldsenplatz:

OLIVER THOMAS DOMZALSKI

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen