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Archiv-Artikel

preisreform Für die Bahn ist der Aktionär König

Über Monate hat die Deutsche Bahn AG geleugnet, dass die starken Einbrüche im Fahrgastaufkommen auch nur das Geringste mit der umstrittenen Preisreform zu tun haben könnten. Bahnchef Mehdorn hat selbst gutmeinende Kritiker als Miesmacher denunziert. Jetzt ist plötzlich alles anders: Die Verantwortlichen für das neue Preissystem sind entlassen, die Reform steht auf dem Prüfstand, die maßlose Bearbeitungsgebühr für nicht genutzte Fahrkarten wird verringert. Deutlicher kann man sein Scheitern nicht eingestehen.

Kommentarvon KLAUS HILLENBRAND

Auch die neunmalklugen Manager müssen zu der überraschenden Erkenntnis gekommen sein, dass eine Eisenbahn nicht fliegen kann – wohl aber deren Verantwortliche. Ihr Preissystem entspricht der Vorgabe von Airlines, die mit komplizierten Rabatten auch noch den letzten Platz in ihren Maschinen füllen wollen. Nur: Wer nicht geschäftlich in die Luft geht, plant eine Flugreise langfristig. Bahnfahren ist eine alltägliche, schnelle Entscheidung. Spontane Reisewünsche aber werden bei der Mehdorn-Bahn bestraft. Damit musste der Schienenverkehr weiter an das mobilste aller Verkehrsmittel verlieren: das Auto.

Die nun eingeleitete radikale Kehrtwende ist freilich nicht Ergebnis der öffentlichen Kritik am Preissystem. Das Wegbleiben der Kundschaft hat das eigentliche Ziel der Bahn in Gefahr gebracht: ihren Gang an die Börse. Hartmut Mehdorn ist zum Bahnchef gemacht worden, um die Bahn aus der staatlichen Verantwortung zu entlassen und in die Hände williger Kapitalgeber zu bringen. Mit tiefroten Zahlen wird er die aber nicht finden.

Die strittige Preisreform ist im Vergleich zum eigentlichen Ziel – der Börsenbahn – ein Klacks. Wenn diese kleine Reform das große Vorhaben in Gefahr bringt, müssen schnell Konsequenzen gezogen werden. Managerrauswurf, Preiskorrekturen: Dem Publikum gefällt’s. Dass Mehdorn selbst nicht nur bleiben darf, sondern auch noch eine Vertragsverlängerung erhält, ist nur konsequent. Ob das Ziel Börsenbahn für das größte öffentliche Verkehrsmittel Deutschlands aber auch sinnvoll ist – diese Frage geht dabei unter. Dabei stellt sie sich dringend.

Denn damit ist der nächste Zielkonflikt programmiert: Wird die Bahn zum Unternehmen, das in erster Linie den Aktionären Dividende garantiert oder Reisenden eine bequeme und sichere Fahrt? Was bei der Teilprivatisierung der Post gelang, muss bei der Bahn noch lange nicht klappen.