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Archiv-Artikel

powell/irak Geheimsache Verantwortung

Nun hat US-Außenminister Colin Powell also auch Zweifel daran, dass Saddam Husseins Irak Biowaffen besaß. Dabei hatte er selbst ebendies im Februar 2003 dem UN-Sicherheitsrat als Fakt präsentiert. Doch statt einzugestehen, dass der US-Außenminister das höchste Gremium der Vereinten Nationen irregeführt hat, schiebt Powell die Verantwortung ab und gibt an, die CIA habe ihm ungeprüfte Informationen untergejubelt.

KOMMENTAR VON ERIC CHAUVISTRÉ

Nicht nur Powell und die Bush-Regierung verweisen in der Irakdebatte gern auf Fehler der Geheimdienste. Auch Präsidentschaftskandidat John Kerry und weitere Demokraten im US-Kongress, die Bush im Oktober 2002 die Ermächtigung zum Krieg erteilten, geben heute an, unkorrekt informiert worden zu sein. Auch führende US-Zeitungen, die den Krieg mit herbeischrieben, machen CIA & Co. für ihre Entscheidung verantwortlich.

Tatsächlich haben nicht nur in, sondern auch außerhalb der USA Politiker und Journalisten versagt, als sie die US-Propaganda unkritisch übernahmen. Zum einen wurde die banale Erkenntnis außer Acht gelassen, dass die These stets die Richtung einer Untersuchung vorgibt. Da in dem konkreten Fall der Verdacht aufgeworfen wurde, der Irak besitze eine eigene Biowaffenproduktion, interpretierten die Geheimdienste alle dort beobachteten Merkwürdigkeiten in diese Richtung. Zum anderen wurde missachtet, dass Geheimdienstdossiers vor allem aus mitunter widersprüchlichen Indizien bestehen. Im Laufe der politischen Aufarbeitung werden aus Hinweisen, Vermutungen und Spekulationen schnell Wahrheiten gemacht.

Daran wird auch keine Geheimdienstreform etwas ändern. Denn die Umdeutung von konspirativ beschafften Informationen zu unumstößlichen Fakten ist eine zwingende Konsequenz aus der militärischen Präventivdoktrin, die seit September 2002 für die USA gilt, sich in abgeschwächter Form aber auch in den Militärstrategien der Nato und der EU wiederfindet. Mit Qualifizierungen, Zweifeln und Widersprüchlichkeiten jedoch lässt sich die Öffentlichkeit kaum für einen Krieg gewinnen. Solange man der Strategie der militärischen Prävention folgt, werden deshalb weitere angebliche Geheimdienstpannen nicht zu vermeiden sein. Wie Powell jetzt, werden sich auch dann Verantwortliche schockiert zeigen. Und um die üblichen Verdächtigen wird sich ein Untersuchungsausschuss kümmern.

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