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post aus tallinnJan Feddersen über Norwääääsch, äit peunts

Liturgisches Sprachtraining

Allein das R. Wie Annely Peebo diesen Buchstaben ausspricht, rollend, dräuend, estnisch, das wird ein Höhepunkt des Hochamtes – das ja erst nach den Songs beim Grand Prix beginnt. Hochamt, das ist die Kunst, als Moderatorin nicht die Contenance zu verlieren bei der Zelebration der Punktevergabe.

„Puis j’avoirrrrr vos votes, s’il vous plait?“ – das ist für eine das Estnische sprechende Person viel schwieriger als „May I have your votes, please?“ Ihrem Moderationskollegen Marko Matvere, einem sonst im politischen TV-Magazingeschäft tätigen Mann, fällt die virtuose Deklination der Riten nicht viel leichter. Er mischte während der 24 Schaltungen in die europäischen Grand-Prix-Städte locker und sehr unverständig Französisch und Englisch mit etwas, das wie estnische Flüche klang.

Wer schon einmal selbst versucht hat, eine Grand-Prix-Wertung von einem Punkt bis zu derer zwölf sowohl auf Englisch als auch auf Französisch vor Millionenpublikum zu plaudern, der ahnt, wie schwer das ist. Sie machen momentan, knapp 20 Stunden, ehe die entscheidende Messe gelesen wird, noch keinen selbstvertrauten Eindruck – eher so, als ob ein des tiefsten Berlinerisch gewöhntes Team plötzlich im Vatikan den Ostergottesdienst im fließenden Latein halten muss. Ohne wirklich ein Wort zu verstehen, aber dennoch eine gute Figur abzugeben.

Dabei ist es immer das Gleiche. Erst kommt die Begrüßung: „Hallo London, may I have your votes, please?“ Woraufhin London den „splendid evening“ lobt, um dann zu beginnen: „Sweden, one point“, was die Moderatorin mit „La suede, un point“ erwidert. Das geht so über 24 Stationen, heute Abend ganz am Ende die Wertung aus Vilnius, Litauen: Sie beschließen das Hochamt.

Man kann den beiden Esten nur Glück wünschen, aber erfahrungsgemäß werden sie viele Fehler machen. So wie Marlene Charell 1983 in München – die schon nach vier Wertungsdurchgängen einen verwirrten Eindruck machte und ähnliche Dinge wie „Norrwäääsch, äit peunts, Norrwäi, sseven punkte“ von sich gab. Ja, das löste viel Heiterkeit aus, und das unterscheidet den Grand Prix ja auch vom echten Katholizismus: Seine Kirche steht in fast jedem Jahr woanders, aber in ihr darf auch gelacht werden.

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