portrait : Eine Meisterin der Kommunikation
Äußerlich ist der Unterschied groß: Laurence Parisot reicht ihrem Vorgänger gerade mal bis zur Schulter. Die erste Frau an der Spitze des französischen Unternehmerverbands Medef ist zierlich und pflegt den Redestil einer Intellektuellen. Ihr Vorgänger Ernest-Antoine Seillière hingegen hat das Profil eines eines „Totschlägers“. Er wurde 1997 gewählt, um die Arbeitszeitverkürzung zu bekämpfen. Das hat er getan. Nun steigt er nach Brüssel auf, an die Spitze des europäischen Unternehmerverbands.
Inhaltlich liegt die neue Chefin an der Spitze von 750.000 Unternehmern – davon knapp 5 Prozent Frauen – auf der gleichen Linie wie ihr Vorgänger. Auch die 45-Jährige ist erklärte Gegnerin des Systems kollektiver sozialer Garantien in Frankreich: „Es kann nicht sein, dass die Gedankenfreiheit aufhört, wo das Arbeitsrecht beginnt.“ Auch Parisot unterstützt das, was im Medef-Französisch „soziale Neugründung“ heißt. Gemeint ist damit das Zurückdrängen kollektiver Rechte – Tarifverträge, Arbeitsrechte, gewerkschaftliche Rechte – zugunsten von individuellen Verhandlungen zwischen Unternehmern und Beschäftigten. Parisot will das Arbeitsrecht „vereinfachen“, sagt sie, und „Hindernisse für Neueinstellungen“ abschaffen. Seit die Rechten ab 2002 in Frankreich regieren, hat Medef der Regierung in sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen die Politik eingeflüstert. In nur drei Jahren erreichte er viel – unter anderem das Aufweichen der 35-Stunden-Woche. Von so viel Flexibilität beim Einstellen und Entlassen konnten französische Unternehmer jahrzehntelang nur träumen.
Parisot ist, wie sie selbst sagt, in eine Unternehmerfamilie hineingeboren. Mit 26 übernahm sie die Leitung des großen Meinungsforschungsinstituts Louis Harris, mit 30 wechselte sie an die Spitze des Konkurrenten Ifop. Vor drei Jahren erbte sie von ihrem verstorbenen Vater eine Firma, die Schiebetüren herstellt. Als studierte Politologin und erfahrene Meinungsforscherin beherrscht die ledige Parisot die Kunst der Kommunikation besser als die meisten Kollegen. Die Frau, die Medef erst vor drei Jahren beitrat und noch Ende vorigen Jahres als Außenseiterkandidatin galt, hat binnen zweieinhalb Monaten das Land bereist und in Windeseile die Spitzen der Branchen Dienstleistungen und Versicherungen hinter ihre Kandidatur gebracht. Im neuen Amt will sie die französische Gesellschaft „mit den Unternehmen aussöhnen.“ Angesichts des Klassenkampfs, den Medef führt, ist das ein Vorhaben mit wenig Erfolgsaussichten. 56 Prozent der Franzosen, so die jüngste Umfrage des Instituts CSA, haben nicht das geringste Vertrauen in „ihre“ Unternehmer. DOROTHEA HAHN