portrait : NPD-Funktionär im freien Fall
Es ist eine typische Nachricht. Sie ist schlecht – zumindest aus der Perspektive jenes Mannes, um den es geht. Diesmal kommt sie aus der NPD-Zentrale und lautet: Günter Deckert, zuletzt noch NPD-Chef in Baden-Württemberg, ist aller Parteiämter enthoben – mit sofortiger Wirkung.
Der 65-Jährige dürfte sich inzwischen daran gewöhnt haben. Alle sind gegen ihn. Die Linken, die Justiz. Der NPD-Vorstand ebenso, seit er selbst ganz oben nichts mehr zu melden hat. Und jetzt auch noch der eigene Verband in Baden-Württemberg. Knapp 15 Jahre ist es her, da kürte die NPD den aus der Schule verbannten Oberstudienrat zu ihrem wichtigsten Mann. Seit geraumer Zeit indes verfolgt man in der Berliner NPD-Zentrale ein anderes Ziel: den alten Querulanten aus dem Süden abschalten. Endlich.
Den jüngsten Coup, das Amtsenthebungsverfahren, machte Deckert seinen Intimfeinden in der Partei leicht. Bei der Kür der Kandidaten für die Bundestagswahl hatte er sich zwar selbst den Spitzenplatz gesichert, die Nominierung aber so kreativ veranstaltet, dass der Bundeswahlleiter die Landesliste erst im zweiten Anlauf zuließ. Der Preis: Sechs Bewerber flogen von der Liste. Eine Steilvorlage für alle Deckert-Hasser in der NPD-Zentrale.
Die Abwärtskarriere des Günter Deckert verrät einiges über die interne Funktionsweise rechtsextremer Parteien in Deutschland. Man kann Urgestein der Truppe sein, in rechtsextremen Kreisen bewundert werden für eine Endloslatte von Verurteilungen wegen ausländer- und judenfeindlicher, geschichtsrevisionistischer Hetze, es sogar mit einem „Deckert-Urteil“ in die Justizgeschichte schaffen – es gilt die Regel: Entweder man huldigt dem aktuellen Führer oder man schweigt wenigstens. Das aber tat Deckert nie.
Wer den älteren Herrn beim letzten NPD-Bundesparteitag erlebte, ahnt, warum einer wie er auch im Zustand tiefster Ungnade immer noch Spaß haben dürfte an der Politik: Geduldig lauerte Deckert vor dem Saal auf Journalisten, denen er ein paar Boshaftigkeiten über den aktuellen NPD-Chef Udo Voigt und dessen Kurs in den Block diktieren konnte. Das nennt man aktive Feindschaftspflege.
Dass Voigt ihn nun via Amtsenthebung dauerhaft unschädlich machen will – das dürfte den Nazi-Senior nicht besonders erschüttern. In der Zentrale wartete man gestern schon auf Deckerts Einspruch. Kein Wunder. Denn einer wie Deckert kennt sich selbst mit Amtsenthebungen aus: Im Herbst 1995 hatte ihn die eigene Truppe schon einmal auf diese Weise als Parteichef vom Thron gestoßen. Zehn Jahre später macht er der NPD immer noch Freude. ASTRID GEISLER