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Archiv-Artikel

portrait Der Mann, der Assad die Stirn bietet

Der ehemalige syrische Vizepremier Abd al-Halim Chaddam hat zwei Jahrzehnte lang großen Einfluss in der gesamten Region ausgeübt, vor allem auch auf den Libanon. Jetzt wollen die UN-Ermittler ihn bei ihrer Untersuchung des Mordes an dem ehemaligen libanesischen Regierungschef Rafik al-Hariri in Paris vernehmen. Zuvor hatte Chaddam in einem Interview mit dem syrischen Regime abgerechnet.

Chaddam wurde 1932 in der nordsyrischen Stadt Banyas geboren. Während seines Jura-Studiums lernte er Hafis al-Assad kennen und trat in die Baath-Partei ein. Als die Baathisten 1963 an die Macht kamen, gelang dem Sunniten ein schneller politischer Aufstieg, zuerst als Gouverneur der wichtigsten Stadt der Golanhöhen, Kuneitra, danach als Wirtschaftsminister. Mit der Machtübernahme von Assad 1970 wurde Chaddam Außenminister, Vizepremierminister und schließlich, 1984, zu einem von drei Vizepräsidenten.

Chaddam war bis kurz vor seinem Rücktritt ein Hardliner und Reformgegner. Er war einer der wichtigsten Drahtzieher des syrischen Einmarschs im Nachbarland 1976 und wurde „Hochkommissar des Libanon“ genannt. 1989, nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs, war er maßgeblich an der Durchsetzung des Taif-Abkommens beteiligt, das Syrien dazu nutzte, seine Hegemonie im Libanon zu festigen und sein System mit Geheimdienstlern und Spitzeln auszubauen.

Der syrische Vize hatte exzellente Kontakte zu Hariri – im Nachhinein betrachtet war diese Verbindung vielleicht der wichtigste Faktor für Chaddams politischen Abstieg. 1998 übernahm Assads Sohn Baschar die Kontrolle über die Libanon-Politik. Beide wurden erbitterte Rivalen, aber der junge Assad schaffte es in kurzer Zeit, Chaddam auszumanövrieren. Nach dem Tod von Hafis al-Assad übernahm Chaddam kurz die Amtsgeschäfte, bevor Baschar selbst Präsident wurde. Dieser fürchtete sich vor der Allianz zwischen Hariri und Chaddam und beschnitt immer mehr seiner Kompetenzen. Zuletzt nahm Chaddam, der verheiratet ist und vier Kinder hat, nur noch repräsentative Aufgaben wahr. Im Juni reichte er seinen Rücktritt ein.

Mit dem vergangene Woche in Paris gegebenen Interview sorgte Chaddam für ein politisches Gewitter am Firmament des Baath-Regimes. Er beschuldigte al-Assad, Hariri kurz vor dessen Ermordung mehrmals massiv bedroht zu haben. Er selbst habe Hariri damals geraten, den Libanon für einige Zeit zu verlassen. Das Regime in Damaskus will ihn nun wegen Hochverrats anklagen. Vermutlich wird Chaddam im Pariser Exil bleiben, denn auf Hochverrat steht in Syrien die Todesstrafe. CHRISTINA FÖRCH