portrait : Vom Gegner zum Mitstreiter Scharons
Über Nacht ist Ehud Olmert aus der zweiten Reihe an die Spitze der israelischen Regierung gerückt. Nach der schweren Erkrankung von Ministerpräsident Ariel Scharon wurden ihm die Amtsgeschäfte für vorläufig 100 Tage übertragen. Olmert war zuletzt einer der engsten Mitstreiter Scharons und unterstütze auch den israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen.
Olmert, 1945 in Benjamina geboren, ist seit 33 Jahren in der Politik aktiv. Nach Militärdienst und Studium von Psychologie, Philosophie und Jura begann er seine Karriere 1973 als Abgeordneter. Damit trat er in die Fußstapfen seines Vaters, der schon für den konservativen Likud in der Knesset saß. 1988 wurde Olmert zum Minister ohne Ressort im Kabinett von Jizchak Schamir, 1990 zum Gesundheitsminister ernannt.
1993 gewann er überraschend gegen Teddy Kollek die Wahl zum Bürgermeister von Jerusalem. Nach seiner Wiederwahl musste er 1998 sein Knesset-Mandat abgeben, weil ein neues Gesetz die Trennung von öffentlichen Ämtern und Parlamentsmandaten vorschrieb. In seinen beiden Amtszeiten investierte er in die Entwicklung der Stadt, betrieb aber auch die Ansiedlung von Juden in Ostjerusalem. Seine Antwort auf Anschläge war der Ausbau von jüdischen Siedlungen. Einen Vorschlag des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton, den Palästinensern die Hoheit über den Tempelberg zuzusprechen, lehnte er unter Protest ab. Obwohl der Vater von vier Kindern selbst weder praktizierender orthodoxer Jude ist noch ausschließlich koscher isst, zeigte er sich aufgeschlossen für die Anliegen Ultraorthodoxer.
Im Februar 2003 kehrte Olmert in die Knesset zurück und wurde Vizepremier im Kabinett Scharons. Bis 2004 war er zudem Kommunikationsminister. Im August 2005 löste er seinen Rivalen Benjamin Netanjahu als Finanzminister ab, weil dieser sich den Gaza-Abzugsplänen widersetzte.
Olmert, der sich sowohl auf dem Parkett der Kommunalpolitik als auch auf der internationalen Bühne gut auskennt, wandelte sich im Lauf der Jahre vom Gegner zum treuen Gefolgsmann Scharons. Der Verfechter der umstrittenen gezielten Tötung von radikalen Palästinensern verteidigte die Ermordung des Hamas-Chefs im Gaza-Streifen, Abd al-Asisz al-Rantisi, im April 2004 als eine „für den Frieden unerlässliche Liquidierung“. Gegner aus der Linken bezeichneten ihn als „reißenden Falken“. Zuletzt verließ Olmert den rechten Likud und schloss sich Scharons neuer, gemäßigterer Liste Kadima (Vorwärts) an. Olmerts Interimsamtszeit wird vom Wahlkampf geprägt sein. Denn für den 28. März sind bereits vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt. CHRISTINE APEL