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Archiv-Artikel

portrait Der Kandidat, der nichts zu verlieren hat

Der Mann, der die Hauptstadt-CDU retten möchte, hat mit aussichtslosen Jobs Erfahrung. Er war lange Jahre Joschka Fischers Lieblingsfeind. Über niemanden hat der frühere Außenminister so gern gespottet wie über seinen Gegenspieler von der CDU, den er stets nur „Frieeedbert Pflüüger“ nannte.

Immer wenn der außenpolitische Sprecher der Union zu reden anhob, wurde die Regierungsbank zum Sofa. Fischer fläzte sich genüsslich hin und gab müde lächelnd zu verstehen: Was der zu sagen hat, tangiert doch mich nicht. Kein Wunder, die Union hatte selten Substanzielles gegen die Politik des beliebten Ministers einzuwenden – außer im Streit um den Irakkrieg. Damals mühte Pflüger sich, das unbeliebte Jein seiner Chefin Angela Merkel zu erklären. Genutzt hat es ihm wenig. Der 50-Jährige gilt als ewiges Talent, das immer noch auf seinen Durchbruch wartet – zurzeit als Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

Aufgefallen ist der 50-Jährige auf andere Art. Er sei ein Mann, „der seinen Schreibtisch für allerhand Dinge nutzt“, schrieb die SZ in Anspielung auf seine Amouren. Seit Jahren läuft unter großer Boulevardbeachtung Pflügers „Scheidungskrieg“ mit seiner Exfrau Margarita Mathiopoulos, die Willy Brandt einst gern zur SPD-Sprecherin gemacht hätte.

Noch schädlicher für die Karriere dürfte aber Pflügers Vergangenheit als parteilinker Störenfried gewesen sein. In den 90er-Jahren führte er die Junge Gruppe der Union, war für liberale Abtreibungsregeln, gegen den reaktionären Präsidentschaftskandidaten Steffen Heitmann – und gegen Helmut Kohl. Als sich Merkel mit dem Exkanzler bereits wieder versöhnte, schrieb Pflüger noch eine Abrechnung über „das System Kohl“, das für viele untertänige Weggefährten des Patriarchen unschmeichelhaft ausfiel.

Selbst in der Berliner CDU, die bei 20 Prozent herumdümpelt und einen neuen Werbeträger sucht, hielt sich die Begeisterung über Pflügers Angebot in engen Grenzen, im September gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) anzutreten. Einer, der 1991 bei der Hauptstadt-Entscheidung im Bundestag für Bonn votierte, komme nicht in Frage, hieß es. Doch Pflüger erhielt Schützenhilfe vom einzigen CDU-Granden, auf den er sich stets verlassen konnte: Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker empfahl seinen früheren Redenschreiber und Referenten wärmstens, nun ist er Favorit. Weizsäckers Wort hat in Berlin Gewicht: Als CDU-Spitzenkandidat erreichte er hier 1981 sagenhafte 48 Prozent. Von diesen Höhen ist die Berliner CDU weiter entfernt denn je, was sie zum idealen Partner für Pflüger macht. Beide haben so gut wie nichts mehr zu verlieren. LUKAS WALLRAFF