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Archiv-Artikel

portrait Der Hürdenläufer im Präsidentenpalast

Einmal mehr machte Anibal Cavaco Silva seinem Ruf alle Ehre. Ruhig verbrachte der 66-jährige Konservative im Kreis seiner Kinder und Enkel den Wahltag. Erst als das Ergebnis der Präsidentenwahl am späten Sonntagabend feststand, trat er vor seine Anhänger und ließ sich feiern. Mit ernster Miene, wie immer in feinstes englisches Tuch gehüllt, versprach er, Portugal aus der tiefen Wirtschaftskrise zu führen.

Die Botschaft, die er bereits im Wahlkampf verbreitete, hat gewirkt. Cavaco Silva schlug die in fünf Kandidaten zersplitterte Linke mit 50,6 Prozent und zieht damit als erster Rechter in der 30-jährigen Geschichte der portugiesischen Demokratie in den Präsidentenpalast ein.

Cavaco Silva, der in seinen jungen Jahren Landesmeister im 400-m-Hürdenlauf war, soll ein verbissenes Arbeitstier sein. Der Sohn eines Tankwarts aus dem Süden arbeitete sich von ganz unten hoch. Nach Handelsschule und Militärdienst studierte er Wirtschaftswissenschaften in Lissabon. Kurz bevor die Nelkenrevolution im April 1974 die Diktatur beendete, war Cavaco Silva ins englische York gegangen, um dort an einer Elite-Uni seinen Doktortitel zu erwerben. Aus England brachte er seine neoliberale Haltung mit. Die „Eiserne Lady“ Magaret Thatcher gilt als eins seiner Vorbilder.

Auf der politischen Bühne zeigte sich Cavaco Silva erstmals 1980. Er wurde Finanz- und Planungsminister unter Francisco Sá Carneiro, dem Vorsitzenden der liberal-konservativen sozialdemokratischen PSD. Nach Carneiros Tod 1981 legte Cavaco Silva das Amt nieder. 1985 wurde er überraschend zum PSD-Vorsitzenden gewählt. Dreimal gewann er die Parlamentswahlen und war bis 1995 Premierminister. Mit seinen Reformen, die Portugal in Europa integrierten, verdiente er sich den Ruf des „Modernisierers“. Portugal boomte. Cavaco Silva gilt seither als der große Technokrat. Autoritär und arrogant zwar, aber erfolgreich.

Doch für den Präsidentenpalast reichte es bisher nicht. Cavaco Silva unterlag 1996 deutlich dem Sozialisten Jorge Sampaio, den er jetzt beerbt. Der Professor zog sich erneut aus der Politik zurück und unterrichtete an der Katholischen Universität. Erst jetzt, als seine PSD ihren Chef José Manuel Barroso an die EU-Kommission in Brüssel verlor, tauschte Cavaco Silva den Hörsaal wieder gegen das politische Parkett ein.

Vor ihm liegt eine schwierige Aufgabe: die Kooperation mit einer Regierung aus dem anderen politischen Lager. Denn in Portugal regiert der Sozialist José Socrates. Auch ihm gelang voriges Jahr ein Erdrutschsieg, der ihm die absolute Mehrheit bescherte. „Mein Sieg ist niemandes Niederlage“, beeilte sich Cavaco Silva deshalb zu bekunden. REINER WANDLER