piwik no script img

Archiv-Artikel

portrait Vom Moderator zur „bad news“

Bob Woodruff war für seinen Sender ABC in Baghdad unterwegs, um den Zuschauenden zu Hause die guten Nachrichten zu bringen. News, die sich die Bush-Regierung wünscht und von denen sie unermüdlich behauptet, sie würden von den Medien ignoriert. Deshalb stand Woodruff, der neue Nachrichtenmoderator der ABC „World News Tonight“, am Freitag vor laufender Kamera Eis essend in der Bagdader Innenstadt beim Smalltalk mit freundlichen Irakern. Am Sonntag dann wurde der 44-Jährige selber zur „bad news“.

Eine Bombenexplosion verletzte Woodruff und seinen Kameramann, Doug Vogt, schwer. Beide waren nördlich von Bagdad, in Tadschi, in ein Attentat geraten, als sie zusammen mit einer US-irakischen Armeeeinheit unterwegs waren. ABC teilte mit, die beiden Journalisten hätten zum Zeitpunkt des Anschlags im vordersten von acht Fahrzeugen des Militärkonvois auf der Ladefläche gestanden, um besser sehen zu können. Die irakischen Militärfahrzeuge sind leichter und weniger geschützt als die US-amerikanischen Humvees, aus denen die beiden Männer kurz zuvor ausgestiegen waren.

Der Schreck ist groß in den USA, hatten doch bislang, so schien es, die US-Reporter der großen Sender eine Aura der Unverwundbarkeit. Für ABC ist Woodruffs Verletzung – es soll sich um schwere Kopfverletzungen, Schlüsselbein- und Rippenbruch handeln – ein herber Schlag. Der Sender hatte den smart aussehenden Reporter gemeinsam mit der Kollegin Elisabeth Vargas erst am 3. Januar zum Moderatoren-Traumpaar der Abendnachrichten gekürt. Einer der beiden sollte stets durch die Weltgeschichte düsen, während der andere im Studio moderiert. Das mache das Format lebendig und lebensnah, tönte noch vor wenigen Tagen die Sendeleitung. Die sucht seit Jahren Rezepte gegen die schwindenden Zuschauerzahlen und einen Durchbruch gegenüber den Konkurrenten NBC und CBS.

Woodruff selbst hat noch nicht sehr viel Erfahrung mit Auslandseinsätzen. Den studierten Rechtsanwalt packte das Nachrichtenfieber erst 1989, als er in China Jura unterrichtete. Es war das Jahr der Tiananmen-Unruhen, und der Sender CBS stellte ihn als Übersetzer ein, da Woodruff Chinesisch spricht. Danach war alles klar, er schmiss seine Anwaltskarriere hin und heuerte bei einem kleinen TV-Lokalsender in Kalifornien an.

Er und Vogt wurden mittlerweile in das US-Militärkrankenhaus im rheinland-pfälzischen Landstuhl geflogen. Die nächsten Tage würden „kritisch“ für die beiden, sagte ein Sprecher des Senders. Woodruffs Frau Lee, mit der er vier Kinder hat, ist zu ihm geflogen.

ADRIENNE WOLTERSDORF