portrait : Einzelkämpferin der Frauenbewegung
Wann hat ein Mensch schon im Alleingang eine soziale Bewegung ausgelöst? Betty Friedan, der New Yorker Autorin und Feministin, ist das gelungen. Gleich mit ihrem ersten Buch „The Feminine Mystique“ (Der Weiblichkeitswahn) von 1963. Mit ihrer Anklage an die US-Gesellschaft, die Frauen dazu zu erziehen, sich nur als Hausfrau und Mutter zu verwirklichen, entblößte sie die schöne, neue Nachkriegssociety. Zum Vorschein kamen Millionen frustrierter Frauen, die Anerkennung statt Kochrezepte wollten. Nun ist Betty Friedan, die Kämpferin, die sich einem weit gefassten Humanismus verschrieb, just an ihrem 85. Geburtstag am Samstag an Herzversagen gestorben.
Ihre Thesen, dass Frauen außer Ehemann und Kindern eigene Ziele verfolgen – ohne Schuldgefühle – erschütterte die industrialisierten Gesellschaften, in denen „mein Haus, meine Frau, mein Boot“ als Maxime des Glücks galt. Friedans Buch wurde quasi über Nacht zum internationalen Bestseller und verkaufte sich bis heute mehr als drei Millionen Mal. Friedan, selbst Psychologin, wurde zur Galionsfigur der Frauenbewegung. Sie kämpfte für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, für genderneutrale Stellenanzeigen, Mutterschaftsurlaub, Kindertagesstätten, legale Abtreibungen und viele andere Anliegen.
1966, als die Regierung nicht gewillt schien, die Frage gleicher Löhne in die Civil Rights Charta aufzunehmen, gründete die Mutter dreier Kinder die National Organization for Women NOW, die bis heute wichtigste Frauenorganisation in den USA, und amtierte als deren erste Präsidentin. Mit ihrem Frauenstreik im August 1970, an dem eine halbe Million Menschen teilnahmen, drang NOW ins öffentliche Bewusstsein. Doch Friedan selbst war keine, die das Team liebte. Ihre schroffe Persönlichkeit führte dazu, dass sie gerade in der Frauenbewegung nicht nur verehrt wurde. Gegnerinnen warfen ihr vor, ihre Ideen von Simone de Beauvoir geklaut zu haben, ohne diese zu würdigen. Sich zu sehr auf die weiße Mittelklasse-Frau zu konzentrieren und –schlimmer noch – Männer nicht zu hassen. Friedan plädierte nie für radikalen Feminismus, sondern für die soziale Partnerschaft der Geschlechter. Nur mit den Männern sei Emanzipation möglich, und das Familienmodell dürfe nicht abgelehnt werden. Lesben galt sie damit als „hoffnungslos bourgeois“, wie Susan Brownmiller, eine ihrer prominentesten Kritikerinnen, schrieb. „Wir alle sind die Nutznießer ihrer Vision“, sagte Senatorin Hillary Clinton. Friedans Schriften hätten Türen und Gedanken geöffnet und für Frauen – und Männer – künftiger Generationen Chancen geschaffen.
ADRIENNE WOLTERSDORF