portrait : Der „Rote Prinz“ im Quirinalspalast
Roter Prinz“ ist einer seiner Spitznamen, ein anderer gar „König Umberto“. In der Tat ist die Ähnlichkeit zwischen Giorgio Napolitano und dem letzten italienischen König, der 1946 abdankte, verblüffend. Und in der Tat war und ist Napolitano in seinem Auftreten eher Aristokrat als Arbeiterführer, auch wenn er 1945 als 20-Jähriger der KPI beigetreten war.
Die Entscheidung für die Politik hieß für den jungen Kommunisten: Verzicht auf eine Karriere als Theatermann und Lyriker. Er, der Sonette im Neapolitaner Dialekt schrieb, die von der Schriftstellerin Natalia Ginzburg begeistert gefeiert wurden, er, der mit Erfolg schauspielerte und Regie führte, ließ sich mit 28 erstmals ins Abgeordnetenhaus wählen.
In der KPI galt er bald als „Rechter“, weil er sich jenem Flügel anschloss, der schon Ende der 50er den Dialog mit den Sozialdemokraten forderte. Aber dieses Etikett tat einer schnellen Karriere in der Partei keinen Abbruch. In den 70ern, als der legendäre Parteiführer Enrico Berlinguer die KPI auf 34 Prozent der Wählerstimmen brachte, als er „historischen Kompromiss“ und „Eurokommunismus“ predigte, war Napolitano einer der einflussreichsten Männer in der Partei.
Bloß KPI-Chef konnte er als „Rechter“ nicht werden, auch nicht nach Berlinguers Tod 1984. Stattdessen durfte sich Napolitano trösten, oft „Erster“ der Partei gewesen zu sein: Er war der Erste, der in den späten 70ern in die USA reisen durfte – trotz Einreiseverbots für Kommunisten –, um den Amis zu erklären, dass die Italo-Kommunisten anders sind. Er stand in der ersten Reihe, als es in Gesprächen mit Willy Brandt darum ging, die KPI an die Sozialistische Internationale heran- und nach der Umgründung zur „Partei der Linksdemokraten“ 1991 in die SI hineinzuführen. Er war einer der Ersten in der KPI, die den Abschied von der Revolutionsrhetorik forderten; das trug ihm den gehässig gemeinten Titel „migliorista“ – „Verbesserer“ des Kapitalismus, der doch eigentlich zu stürzen wäre – ein. Und er war der erste Exkommunist, der 1996 das sensible Amt des Innenministers übernahm.
Damit schien seine aktive Karriere gelaufen. 1999 bis 2004 saß Napolitano im EU-Parlament und präsidierte im Ausschuss für Verfassungsfragen. Voriges Jahr ernannte ihn Carlo Azeglio Ciampi – sein Vorgänger im Quirinalspalast – zum Senator auf Lebenszeit. Seine Partei dagegen schien ihn vergessen zu haben: Erbost darüber, dass er als möglicher Präsidentenkandidat kaum in Betracht gezogen wurde, war Napolitano drauf und dran, seine Fraktion zu verlassen. Nur wenig später wurde er, als erster Exkommunist in der Geschichte Italiens, zum Präsidenten gewählt. MICHAEL BRAUN