portrait : Tschechischer Biedermann mit Eiern
Er sei ein „Kerl mit Eiern“, versuchte der Vorsitzende der oppositionellen konservativen Bürgerpartei (ODS), Mirek Topolánek, die Tschechen im Wahlkampf von sich zu überzeugen. Bodenständig und ehrlich. Einer, der es ernst meint, der die Ärmel hochkrempelt. Das musste mal gesagt werden. Denn die „Eier“ sieht man dem 50-Jährigen nicht so richtig an.
Der Ingenieur aus dem Nordosten der Tschechischen Republik wirkt eher fade und zugeknöpft. Als ob Gott ihn übersehen hätte, als er das Charisma verteilte. Aber das weiß Topolánek selbst. „Das Etikett langweilig und uncharismatisch haben mir die Medien aufgeklebt. Da kann ich nicht viel dagegen tun“, verteidigt sich der Kerl, der wahrscheinlich der nächste Premier wird.
In die hohe Politik kam er 1996. Damals wurde er für die ODS, der er seit 1994 angehört, in den Senat gewählt. Seine große Chance kam Ende 2002. ODS-Übervater Václav Klaus machte in Erwartung von Höherem den Parteivorsitz frei und Topolánek wurde – ein Kompromiss zwischen liberalem und konservativem Flügel – zum Parteichef gewählt.
Und langweilig? So mutet er nur an, wenn er als treuer Gatte der blonden Pavla, biederer Familien- und frischgebackener Großvater auf Wahlplakaten posiert. Aber in seiner Jugend, als Maschinenbaustudent in Brünn, da sei er ein ganz Wilder gewesen, der „in der ersten Liga gesoffen und sich Weib, Wein und Gesang gewidmet“ hat, so Topolánek. Erst seine Frau soll ihn auf den Pfad der Tugend geführt haben. Soll das Volk ruhig wissen, welch eine wüste Vergangenheit der designierte Regierungchef hinter sich hat. Vor allem, wenn die sich auf Saufgelage und Weibergeschichten beschränkt. Damit kann sich der Wähler vielleicht sogar identifizieren. Genauso wie mit dem öden Alltag im Plattenbau in der Kohlestadt Ostrava. Den hat Bürger Ing. Topolánek gelebt: Arbeit, Sport, Bier, Datsche. Wenigstens kann sich Topolánek damit brüsten, nie KP-Mitglied gewesen zu sein. Ein Dissident war er aber auch nicht.
Mit der „samtenen Revolution“ 1989 erfährt Topolánek seinen ersten Schub ins öffentliche Leben. Er wird aktiv im Bürgerforum, schafft es sogar in einen Stadtteilrat von Ostrava. Zugleich beginnt er, die freie Marktwirtschaft auszukosten. Seine Maschinenbaufirma VAE beschäftigt zu Hochzeiten 400 Menschen, macht Millionenumsätze. Mitte der 90er übernimmt sich die Firma finanziell, kann einen 500.000-Euro-Kredit nicht zurückzahlen. Unter welchen Umständen eine ODS-nahe Firma den schlechten Kredit übernahm, ist bis heute unklar. Dass Topolánek seine politischen Kontakte nutzte, ist wahrscheinlich. Der Kerl hat ja Eier. ULRIKE BRAUN
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