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Archiv-Artikel

portrait Aufgeben ist seine Sache wirklich nicht

Er fährt einen japanischen Kleinwagen, polemisiert gegen „die da oben“ und erklärt: „Das Volk irrt sich nicht.“ Ist Andrés Manuel López Obrador also ein „Populist“? Zunächst erinnert der braun gebrannte Grauhaarige eher an jene freundlichen Mittfünfziger, die nachmittags auf der Plaza Morelos im Herzen von Mexiko-Stadt ihre Tanzpartnerinnen zum Danzón auffordern. „Er gibt den Leuten irgendetwas, und sei es nur Hoffnung“, sagt der Soziologieprofessor Sergio Zermeño. So gesehen ist López Obrador natürlich ein Populist, so wie jeder, der Staatschef werden will, Populist sein muss. Wer würde ihn in diesen Zeiten begleiten, verspräche er nicht ein besseres Leben?

Amlo, wie ihn viele nach seinen Initialen nennen, hat sein Handwerk gelernt. Er stammt aus der Partei der Institutionellen Revolution (PRI), die das Land 71 Jahre lang in einem Konglomerat von Gewerkschaften, Bauernverbänden, Politikern, Militärs und Unternehmern regierte. In den Siebzigern leitete er im Bundesstaat Tabasco das Amt für Indígena- Angelegenheiten. Er schloss sich der PDR an, kämpfte 1994 um die Landesregierung – und verlor knapp. Nur wenige Stimmen trennten ihn vom Sieg. Er sprach von Wahlbetrug. Als gelernter „Priist“ wusste er, wie man Basisbewegungen nutzt: Mit Unterstützung der Arbeiter des staatlichen Erdölunternehmens Pemex machte er gegen den Wahlausgang mobil. Allerdings ohne Erfolg.

Als ihn später Widersacher wegen eines kleinen Verwaltungsvergehens aus dem Bürgermeisteramt in Mexiko-Stadt vertreiben wollten, mobilisierte er ein weiteres Mal. Gewerkschafter, Bauernorganisationen, Intellektuelle, Stadtteilaktivisten – über eine Million Menschen gingen im April 2005 auf die Straße. Durch einige Sozialreformen hatte er sich zuvor einen guten Namen gemacht. Die Mobilisierung wurde zu seinem größten Erfolg. Staatschef Vicente Fox verfügte die Einstellung des Verfahrens, und Amlo bereitete seine Anhänger in einem fulminanten Diskurs auf neue Ziele vor. „Das war die Rede des nächsten Präsidenten Mexikos“, erinnert sich Wissenschaftler Zermeño.

Ob der Soziologe Recht behält, wird sich noch zeigen. So sicher, wie derzeit die Wahl seines Konkurrenten Felipe Calderón zum Präsidenten scheint, so sicher wähnten sich seine Gegner im letzten Jahr. Doch so schnell gibt López Obrador nicht auf. Er habe schon als Kind nie klein beigegeben, erinnert sich sein Vater. Und „wenn er sich mit jemand prügelte und gewann, ging er mit diesem spöttischen Lächeln davon, das unmissverständlich klarstellte: Ich habe dich besiegt.“WOLF-DIETER VOGEL

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