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Archiv-Artikel

portrait Der Anti-Konfessions-Künstler

Der Angriff galt eigentlich einem Haus nebenan. Aber die Gewalt der israelischen Bombe zerstörte auch Lokman Slims Elternhaus, das in Hart Hreik, einem schiitischen Stadtteil im Süden von Beirut liegt. In den ersten beiden Stockwerken befand sich das Büro und Archiv der „Umam-Production“, die der libanesische Publizist und Filmemacher zusammen mit seiner Frau Monika Borgmann 2001 gegründet hatte. Eine Dokumentation über den Massenmord in den Palästinenserlagern Sabra und Schatila ist einer der bekanntesten Filme aus dem Hause „Umam“. Der Film wurde 2005 mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Das Nebenhaus der Produktionsfirma, mit Studio und Schneideräumen, ist ebenfalls schwer beschädigt. Das aufwändige Archiv zum Teil völlig vernichtet.

Den Elan von Slim wird das jedoch nicht bremsen. Schon als Student der Philosophie in Paris (1982 –1988) engagierte sich der 1962 in Beirut geborene Schiit in verschiedenen kulturellen Foren. Nach seiner Rückkehr in den Libanon gründete er 1990 den Verlag Dar al-Jadid und schrieb zahlreiche Artikel für libanesische und andere arabische Zeitungen und Magazine. Während der „Zedernrevolution“ 2005 war er bei den Protesten gegen die syrische Besatzung des Libanon aktiv. Slim gehört jedoch nicht zu den Wendehälsen, die ihre Fahne in den jeweiligen Wind halten, sondern er plädiert für eine „säkulare Republik“. Mit drei anderen Mitstreitern gründete er 2005 die Initiative „Hayyabina“, was in etwa „Los geht’s“ bedeutet. Rechtzeitig zu den Parlamentswahlen, die von allen Parteien nach dem Abzug der Syrer als erste freie gefeiert wurden.

„Hayyabina“ forderte die Menschen auf, ihre Liste zu wählen, obwohl sie offiziell nicht an den Wahlen teilnahm. Fingierte Wahlurnen wurden aufgestellt, damit Unzufriedene ihre Stimme abgeben konnten. „Das System ist blockiert“, sagte Slim damals im Mai 2005. „Konfessionen sind stärker als der Staat.“ Eine Aussage, die sich für den Aktivisten heute auf besonders bittere Weise bewahrheitete. „Die schiitische Hisbollah hat nicht nur die beiden entführten israelischen Soldaten, sondern die ganze libanesische Bevölkerung als Geisel genommen“, erklärt der 44-Jährige. Seiner Ansicht nach würden die schiitischen Libanesen unter einer Art „Stockholm-Syndrom“ leiden, da sie trotz Krieg und Zerstörung weiter Sympathien für die Hisbollah hegten. Slim wurde vom Kriegsbeginn auf einer Vortragsreise in den USA überrascht. Bereits einen Tag nach einer langen Heimreise verfasste er mit anderen Intellektuellen eine Erklärung für eine sofortige Waffenruhe.

ALFRED HACKENSBERGER