portrait : Herr Seidel von der CDU
Der CDU-Fernsehspot, der in Mecklenburg-Vorpommern läuft, spielt in einer Werkhalle in Waren an der Müritz. Im Propellerwerk steht Jürgen Seidel neben einer Schiffsschraube und schaut zuversichtlich. Er erklärt, das nordöstliche Bundesland sei wie ein Mittelstreckenläufer. Einer, der vielleicht nicht so toll trainiert ist, „weil er nicht das Geld hatte fürs Höhentraining und weil er vielleicht auch nicht die Zeit hatte“. So einer, sagt Seidel, dürfe sich nicht auch noch Bleiplatten in die Taschen stecken.
Was als Kritik an der rot-roten Landesregierung gemeint ist, könnte auch auf Seidel und seinen etwas bleiernen Wahlkampf passen. Der 58-Jährige tritt auf, als wäre er nicht der Herausforderer von SPD-Ministerpräsident Harald Ringstorff, sondern der Landesvater. Er sagt von sich, dass er integrieren könne, vermeidet persönliche Angriffe gegen die Konkurrenz. Das Programm heißt: „Gemeinsam mehr erreichen“. Denn nur mit der SPD hat Seidel eine kleine Chance auf die Macht. Selbst wenn er die ordentlichen 33 Prozent holt, die ihm das jüngste ZDF-Politbarometer verspricht, reicht es nicht für Schwarz-Gelb.
Damit Seidel regieren kann, müsste Ringstorff schon die PDS aus der Regierung schmeißen. Oder die SPD müsste Ringstorff rausschmeißen. Beides wäre ein ziemliches Wunder, aber wenn es eintreten soll, dann kann Seidel jetzt schlecht rufen, was für Idioten die Sozis sind. Gegen einen aggressiven Wahlkampf spricht auch, dass das schon voriges Mal nicht klappte. Seidels Vorgänger, Ex-Hansa-Rostock-Präsident Eckhardt Rehberg, schnappte nach allen Seiten, sogar nach Parteifreunden. Die meisten Menschen im Nordosten wollten lieber den ruhigen Ringstorff und die meisten in der CDU den ruhigen Seidel. 2005 verbannten sie „Ecki“ in den Bundestag.
Seidel wurde CDU-Landeschef. Angela Merkel hat ihn überredet. Die Kanzlerin leitete den Landesverband früher selbst, und sie hat an der Ostsee noch immer ihren Bundestags-Wahlkreis. Seidel und sie duzen sich und schicken sich auf dem Handy SMS. Merkel tritt fünfmal im Wahlkampf auf. „Die Bundeskanzlerin unterstützt uns massiv“, sagt Seidels Pressesprecher.
Seidel ist Landrat. Sein Landkreis liegt an der Müritz, dem größten See der mecklenburgischen Seenplatte. Er ist in Waren geboren und zur Schule gegangen, er hat hier zu DDR-Zeiten als Kreisbeamter gearbeitet und in der Blockpartei CDU mitgemacht. In Waren gründete er eine Familie und pflanzte vor 30 Jahren Weiden vor sein Haus. Zu Höhenflügen neigt der Kandidat ohnehin nicht. Das Praktische an der bleiernen Strategie des Wahlkampfs ist, dass sie ganz gut zu ihm passt.
GEORG LÖWISCH