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Archiv-Artikel

portrait Kulturbanause gelobt Besserung

Er ist eben kein Scharfmacher. Anders als seine Amtskollegen besonders in Bayern oder Hamburg, zeichnet sich Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nicht dadurch aus, dass er verbal den großen Hardliner markiert und allzu vorschnell den islamistischen Terror herbeiredet. Im Gegenteil: Er gilt als liberal, sucht den Dialog und sagt, was er denkt – im Unterschied zu vielen anderen Politikern denkt er jedoch auch nach, bevor er etwas sagt.

Um so verwunderlicher, dass ausgerechnet die geradezu panikartige Absetzung von Mozarts „Idomeneo“ in der Berliner Deutschen Oper auf seine Kappe geht. Eine anonyme Anruferin habe über die Hotline der Bundespolizei mitgeteilt, dass die Aufführung des Idomeneo „eine Gefährdungslage mit schwer abzuschätzenden Folgen für die öffentliche Ordnung“ darstelle, weil im Epilog des Stücks die Köpfe von Jesus, Buddha und Mohammed rollen. Erst auf Körtings persönlichen Hinweis hin habe die Intendantin, Kirsten Harms, die vier Inszenierungen abgesagt. Wegen „möglicher Verärgerung von Muslimen“, soll Körtings Begründung gelautet haben.

Der 64-jährige verheiratete Vater von fünf Töchtern war Anwalt, Richter und schaffte es bis zum Vizepräsidenten des Berliner Verfassungsgerichts. Als im Sommer 2001 in der Hauptstadt die große Koalition zerbrach, wurde er Innensenator eines rot-roten Senats. Zu seinem größten Verdienst zählt, dass er mit einem differenzierten Deeskalationskonzept etwas zustande brachte, was keinem seiner Vorgänger zuvor gelang: die Befriedung der 1.-Mai-Krawalle im Stadtteil Kreuzberg. Und auch nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 behielt er die Nerven und verschärfte nicht die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt.

Nun könnte man argumentieren, es gehöre zur Pflicht eines Innensenators, bei entsprechenden Hinweisen die mögliche Gefahrenlage genau abzuwägen und bei realer Gefahr die Betroffenen entsprechend zu informieren. Doch genau diese Abwägung hat im Fall der Opernabsetzung gefehlt. Vielleicht war ihm nicht ganz klar, was er mit seiner vorschnellen Warnung auslösen würde. Der Intendantin soll er gesagt haben, dass er die Deutsche Oper sehr liebe. Er fahre oft daran vorbei und wolle nicht erleben, dass sie nicht mehr da ist.

Lieb gemeint, ein Opernkenner scheint er aber nicht zu sein – und von der Freiheit der Kunst versteht er anscheinend auch nicht viel. Nach massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen zeigt Körting Reue und gelobt Besserung. Am 3. Oktober will er an einer Podiumsdiskussion mit Berlins Kultursenator teilnehmen. Ziel der Debatte: „Idomeneos“ Rückkehr auf den Spielplan. FELIX LEE