portrait : Der ambitionierte alte Ajatollah
Die offizielle Bezeichnung des iranischen Gottesstaates, Islamische Republik, ist dem 73-jährigen Ajatollah Mesbah Jasdi ein Gräuel. Der islamische Gottesstaat sei vollkommen und brauche keine Zusätze, schon gar nicht solche wie „Republik“, ein Begriff aus dem verdorbenen Westen.
Jasdi hat zwar nach eigenen Angaben während der Schah-Zeit ein Jahr lang Chomeinis Vorlesungen besucht, war jedoch nie als Widerständler aufgefallen. Er stammt aus der berühmt-berüchtigten Haghani-Schule, die schon vor der Revolution als eine tragende Säule des islamischen Fundamentalismus wirkte. Ihre Mission war es, den traditionellen Islam zu pflegen und ihn vor Erneuerungsversuchen zu schützen. Viele Angehörige dieser Schule haben nach der Revolution in der Islamischen Republik Schlüsselpositionen übernommen. Auch einige Mitglieder der Regierung Ahmadinedschads sind daraus hervorgegangen. Jasdi selbst gehörte nie der Staatsführung an. Heute hat er seinen Sitz in der heiligen Stadt Ghom und ist Leiter des Lehr- und Forschungsinstituts Imam Chomeini. Dieses aus Staatsgeldern finanzierte Institut bildet das ideologische Zentrum der Radikalislamisten. Viele Beobachter im Iran vertreten die Ansicht, dass Ahmadinedschad und die meisten seiner Regierungsmitglieder Marionetten seien, deren Fäden bei Jasdi zusammenlaufen. Der Regierungschef wurde sogar schon mehrfach im Parlament kritisiert, weil er zu oft nach Ghom pilgere, um bei Jasdi Rat zu holen.
Jasdi ist vielleicht der radikalste Verfechter eines reinen, von republikanischen Elementen gesäuberten Gottesstaats. Während einer Predigt erklärte er: „Die Republik ist nur eine Schale, die damals bei der Gründung der Islamischen Republik in die Bezeichnung des neuen Staates aufgenommen wurde. Diese Schale ist nicht echt, sie ist bar jeden Inhalts.“ Freie Wahlen zum Beispiel hätten für einen Gottesstaat keine Relevanz. Der geistliche Herrscher könne dem Volk befehlen, eine bestimmte Person zum Staatspräsidenten zu wählen. Entscheidend sei nur sein Wille, nicht der Wille des Volkes.
Der Ajatollah hat trotz seines hohen Alters große Ambitionen. Sein Ziel ist die absolute Mehrheit in der Expertenversammlung, die heute neu gewählt wird. Wichtigste Aufgabe dieser Versammlung ist, den Revolutionsführer zu wählen oder abzusetzen. Der jetzige Amtsträger, Ali Chamenei, ist Gerüchten zufolge gesundheitlich angeschlagen. Es wird angenommen, dass er die nächsten acht Jahre nicht überlebt. Darauf spekuliert Jasdi. Mit einer Mehrheit in der Expertenversammlung könnte er die Nachfolge antreten.
BAHMAN NIRUMAND