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Archiv-Artikel

portrait Die bespitzelte Widersacherin Stoibers

Gabriele Pauli ist Bayerns erste Landrätin, die es auf die Titelseite der Münchner Abendzeitung gebracht hat. „Sex, Alkohol und die Staatskanzlei“ lautete gestern die Schlagzeile über die lauteste Stoiber-Kritikerin in der CSU. Pauli sei von der Staatskanzlei bespitzelt worden, so der unglaubliche Vorwurf. Der Büroleiter vom Ministerpräsidenten habe einen Bekannten von ihr über mögliche Alkoholprobleme und Sexskandale ausgefragt.

Gestern Mittag dann die ebenso unglaubliche Vorwärtsverteidigung aus der Staatskanzlei: „Ich habe ein Gespräch mit einem mir aus Mittelfranken bekannten langjährigen politischen Freund geführt“, räumte Büroleiter Michael Höhenberger ein. „Gegenstand des Gesprächs waren die Vorwürfe von Frau Pauli gegen den Ministerpräsidenten.“ Von Spitzelei könne aber keine Rede sein, vielmehr habe er seinen Gesprächspartner nach „möglichen Erklärungen des – mir unerklärlichen – Verhaltens von Frau Pauli gefragt“. Nichts Ungewöhnliches in den Augen Höhenbergers, schließlich sei das politische Verhalten der 49-jährigen Landrätin aus Fürth Gegenstand vieler Gespräche, gerade unter CSU-Mitgliedern.

Unmittelbar nach Stoibers Flucht aus Berlin im November 2005 schwang sich Pauli zur Wortführerin seiner Kritiker auf. Höhepunkt ihrer Mühen war ein „Anti-Stoiber-Forum“ im Internet, das sie unter dem Motto „Mit Stoiber geht es nicht mehr“ eingerichtet hatte. Wähler und Parteimitglieder konnten anonym ihre Meinung über Stoiber kundtun – das Ergebnis war ein klares, aber eben auch nicht nachprüfbares, Votum gegen den Ministerpräsidenten. Aber auch abseits der Stoiber-Kritik passt die Landrätin nicht so ganz ins männerdominierte CSU-Schema: Sie zeigt sich gern mit tiefem Dekolletee, ist zweimal geschieden, erhielt erst im Oktober eine Auszeichnung für ihre Bemühungen um Gleichstellung der Frauen und braust mit einer roten 125-PS-Duccati über die Straßen.

Im Jahr 1990, mit 33 Jahren, hatte sie den Kreis Fürth als jüngste Landrätin Deutschlands übernommen, zweimal wurde sie wiedergewählt, zuletzt mit 65 Prozent. Ein Traumergebnis, das Sprungbrett sein könnte in die Staatsregierung. Sicher muss sie aber noch die Amtszeit Stoiber aussitzen und hoffen, dass ihre Spitzelvorwürfe nicht nach hinten losgehen. Die Politologin weiß um die Macht der CSU-Maschine, das Thema ihrer Promotion lautet: „Polit-PR: Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien am Beispiel der CSU“. Am Nachmittag bekräftigte Pauli ihre Spitzelvorwürfe: „An meinen Aussagen halte ich weiter fest, solange die genauen Inhalte des immerhin fast einstündigen Telefonats verschwiegen werden.“ MAX HÄGLER