portrait : Der zarte Racheengel
Das Besondere an Nina Hoss ist: Dieser Frau mit den übergroßen dunkelblauen Augen und dem strahlenden Lachen würde man jeden Mord zutrauen. In ihrer zurückgenommenen Art und der leisen und unaufgeregten Körpersprache sind die von ihr gespielten Figuren unheimlich kalt, unheimlich zart und unheimlich sexy. In Sekundenschnelle wechselt Hoss von der Femme fatale zum Mädchen und dann zur schon fast verloschenen, asexuellen Einzelgängerin. Meist jedenfalls und immer dann, wenn Christian Pätzold sie inszeniert.
Die Zusammenarbeit mit dem Berliner Regisseur begann mit „Toter Mann“ (2001); zwei Jahre später wurde „Wolfsburg“ fertiggestellt. Hier spielte sie an der Seite von Benno Führmann eine Mutter, deren Sohn gerade von einem Autohändler (Führmann) überfahren worden war. In beiden Filmen, und das ist typisch für ihre stets ambivalente Ausstrahlung, ist Hoss auf einem leisen, für die Außenwelt zunächst kaum sichtbaren Rachefeldzug. Doch erwischt man ihr Gesicht einmal in einem unkontrollierten Moment, wird klar: Bei dieser eleganten Frau dürfte mit Gnade eher nicht zu rechnen sein. In guten Momenten erinnert Hoss daher an die eiskalte Killerin aus Leidenschaft, etwa an Uma Thurman in „Kill Bill“, auch wenn Sporteinlagen und blutige Metzeleien ihre Sache nicht sind. In weniger guten Momenten sieht man sie in sentimentalen Streifen wie „Die weiße Massai“ (2005). Auch kommerzielles Kino gehört also in ihr Repertoire.
Für „Yella“, den dritten Film mit Pätzold, gewann sie auf der diesjährigen Berlinale den Silbernen Bären als beste Darstellerin. Womit sie es geschafft hat, für jeden Pätzold-Film ausgezeichnet zu werden. Denn sowohl für „Toter Mann“ als auch für „Wolfsburg“ erhielt sie den Adolf-Grimme-Preis.
Ihr Debüt gab sie mit gerade mal 14 Jahren auf einer Theaterbühne. Und zwar in einem von der Mutter inszenierten Zwei-Personen-Stück. Seitdem ist sie in vielen, vor allem klassischen Theaterrollen zu sehen. Den Durchbruch bescherte ihr aber das Fernsehen: Das Remake von „Das Mädchen Rosemarie“, in dem sie die Prostituierte Nitribit spielte, hatte 1996 fast neun Millionen Zuschauer.
Nicht nur die Mutter, auch der Vater der heute 32-Jährigen war ein bekannter Mann. Willi Hoss begründete 1979 die Grünen mit. 2001 trat er unter Protest aus. Die Unterstützung des Krieges gegen Afghanistan durch seine Partei war für ihn nicht tragbar. Auch die Tochter verteidigt gelegentlich linke Positionen in der Öffentlichkeit. In den Klatschspalten hingegen taucht sie so gut wie nie auf. Man sagt, sie lebe mit ihrem Freund eher unauffällig in Berlin. INES KAPPERT