piwik no script img

Archiv-Artikel

philipp maußhardt über Klatsch Baggern in der Toskana

Fast alle Prominente spielen Golf. Wie langweilig. Es gibt viel schönere Hobbys

Die jüngste Statistik des Deutschen Golf Verbandes (DGV) zeigt wieder einmal mehr, wie schlimm es um Deutschland bestellt ist. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Golfclubs dieser Republik die höchsten Zuwachsraten seit Einführung der Golfstatistik. 29.060 Neugolfer wurden gezählt, was man wohl nicht anders erklären kann, als dass in diesen wirtschaftlichen Notzeiten auch die gut Verdienenden nicht von der Arbeitslosigkeit verschont bleiben. Und so gehen sie eben Golf spielen, anstatt zu arbeiten. Jedenfalls nähert sich der Deutsche Golf Verband und seine 664 Clubs der magischen Mitgliederzahl einer halben Million. Glückwunsch!

Übrigens zählt mit „Handicap 36“ Michael Schumacher zu den schlechtesten Golfspielern der Republik.

Beim Golfspielen – für die wenigen taz-Leser, die noch nicht golfen – ist es gerade andersherum wie beispielsweise beim Federball oder beim Kegeln: je weniger Punkte desto besser. Darum will auch kaum jemand mit Franz Beckenbauer über den Platz laufen, weil der mit seinem „Handicap 7“ immer so angibt.

Ich glaube: Michael Schumacher macht sein Hobby überhaupt keinen Spaß. Aber er muss hin und wieder auf Golfplätze, weil seinesgleichen sich dort an sonnigen Tagen aufhält. Und so schlägt er eben sinn- und spaßlos auf den kleinen Ball, redet nebenbei mit Boris Becker (Handicap 8) oder mit Albert von Monaco (Handicap 24), und der Tag ist dann am Abend auch vorbei. Es ist, wie wenn man einen Affen nach seiner Lieblingsobstsorte fragen würde: Auf die Frage nach ihrem Hobby geben 95 Prozent der Prominenten „Golf spielen“ an. Und selbst diejenigen, die am Beginn ihrer Karriere noch glaubten, es würde ihnen gelingen, diese lächerliche Freizeitbeschäftigung umgehen zu können, werden eines Tages kapitulieren. „Für mich war Golf alles andere als Sport. Etwas, was ich nie machen wollte. Diese alten Vorurteile von elitär und halt was für alte Leut“. Ja, ja mein lieber Franz. So dachte der Kaiser einmal, jetzt locht er ein auf Teufel komm raus. Weil jeder Mensch ein Hobby haben muss, gehört dessen Nennung zur Pflichtangabe jeder Biografie.

Moderne Menschen haben dabei nur noch die Freiheit, die Reihenfolge zwischen Inlineskaten, Mountainbike-Fahren, Golf- oder Tennisspielen zu variieren. Ganz große Individualisten fügen noch Tauchen oder Lesen hinzu. Dabei gibt es doch Hobbys, die teurer und exklusiver sind. So eins wie meins.

Aber dazu gehören eben andere Fähigkeiten, als in weißen Hosen und Söckchen über einen kurz geschnittenen Rasen zu laufen: Pioniergeist, Fingerspitzengefühl, Sensibilität für die Landschaft. Meinen Osterurlaub verbrachte ich auf „Takeuchi TB15“. Der Kleinbagger eines der führenden japanischen Baumaschinenhersteller steht im magischen Dreieck Florenz/Siena/Arezzo, also mitten in der Toskana, die der deutsche Fotograf Herbert List einmal „ein Sehnsuchtsland“ nannte, und der Reisejournalist Eugen Fodor notierte 1956: „Die Natur hat sich bei der Erschaffung der Toskana selbst überboten.“

Ich also voller Sehnsucht und um mich herum nur diese großartige, überbotene Natur muss auf „Takeuchi TB 15“ erst mal den Vorwärtsgang finden. Es war einer von etwa zehn Hebeln, der kleine rechte in de Mitte. Ich würde sagen: Nach etwa drei Stunden wissen auch Ungeübte ungefähr wie es geht: links herum, rechts herum, Schaufel auf, Schaufel zu, Greifarm hoch, Greifarm nieder. Waldorfschüler haben den Vorteil, dass Eurythmie (jene etwas schwebende Bewegungslehre Rudolf Steiners) sehr viel Ähnlichkeiten mit den Abläufen eines Baggers besitzt. Wenn dann die Schaufel von oben durch das milchige Licht des Morgens in einer kreisrunden Bewegung hinein in die noch vom Tau feuchte Erde greift und ihre Ladung in einem Bogen den Zypressen bestandenen Abhang hinunter wirft … Ich weiß nicht, was ein Golfspieler beim Golf spielen fühlt. Aber an das „Baggergefühl“ wird es nicht heranreichen.

Die Stunden auf jenem Erdbewegungsgerät waren reinstes Glück, eine Art Meditation, die erst zu Ende war, als dieser verdammte spitze Stein mit einem lauten Schlag die Raupenkette des „Takeuchi TB15“ zerreißen ließ. Soll ich jetzt erzählen, wie man eine Raupenkette beim Bagger in schwierigem Gelände wechselt? Wie man mit Hilfe des Greifarms das Fahrwerk sachte anhebt? Dass man nicht vergessen darf, hinterher in den Spann-Nippel Fett einzupressen? Ach, wem sag ich das. Baggerfahrer sind einsam – aber glücklich.

Fragen zum Takeuchi TB15?kolumne@taz.de