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Archiv-Artikel

philipp maußhardt über Klatsch New York, Paris, Holzminden

Der Duft für den wahren Mann erfordert Mut zur Einsamkeit – auch in Südniedersachsen

Wo das Auge bekanntlich doch so gerne mitisst, was tut da eigentlich die Nase? Sie liebt mit. Denn ehe wir uns noch ein richtiges Bild von unserem fremden Gegenüber machen, hat die Nase längst entschieden, ob wir ihn oder sie mögen oder nicht. Jemanden riechen oder nicht riechen können, das ist hier die Antwort. Gesegnet sind da jene Menschen, deren Organ nicht besonders wählerisch ist. Claudia Schiffer sagt zum Beispiel: „Ich mag sie alle“ und meint Parfums. Und mit was sprüht sie sich ein, wenn der Tag lang ist? „Ich besitze mehrere“, sagt sie und meint Parfums.

Das Parfum mit den Namen „Michael Schumacher“ (wahlweise für den Mann und die Frau) riecht holzig, fruchtig, ein wenig nach Amber vielleicht und Muskat. Es reicht überhaupt nicht nach Benzin oder abgefahrenem Gummi. Seit dem letzten Formel-1-Rennen können seine Fans aber noch etwas von der beim letzten Grillabend übrig gebliebenen Holzkohle in den Flakon mischen, dann wirkt es echter. 50 Milliliter des Wässerchens kosten 25 Euro.

Auch Nadja Auermann kann man für ein paar Euros in der Flasche kaufen oder Heidi Klum. Kaum ein Prominenter, der seinen Namen nicht für ein kleines Zubrot hergeben würde, um ihn auf ein Shampoo oder Aftershave zu bannen. Allein schon der Gedanke, mich morgens mit einem Eau de Parfum zu überschütten, das „Heiner Lauterbach“ (25 €) heißt, löst allerdings einen solchen Angstschweißausbruch bei mir aus, dass der unangenehme Geruch sofort mit einem Deospray „André Rieu“ (16,50 € ) unter der Achsel weggesprüht werden muss. Dann lieber Boris Becker (29 €) an der Backe.

All diese Düfte haben eine Heimat, die weder in der Provence noch in New York liegt. Sondern in Holzminden/Südniedersachsen. Dort, im Bergland zwischen Paderborn und Salzgitter, werden in den beiden Firmen Dragoco und Haarmann & Reimer in grauen Plastikfässern 90 Prozent aller in Deutschland verwendeten Duftstoffe produziert. Steht zwar auf keiner Flasche drauf, is’ aber so. Auch unsere Stars lassen in Holzminden mischen. Klänge ja auch irgendwie komisch: „Davidoff – Paris, New York, Holzminden.“

Der Trick mit dem Namen funktioniert übrigens bei allen Produkten, auch bei Gummibärchen oder Hämorrhoidensalbe. Es gibt sogar ein richtiges Messverfahren – das IMAS-Promimeter – mit dessen Hilfe die Wirtschaft Bekanntheitsgrad, Sympathiewert, Imageprofil und die subjektive Werbeeignung von Boris Becker & Co. erfassen lässt.

Dass sich ein Stück Seife besser verkauft, wenn ein Filmstar sie empfiehlt, hat die Firma Sunlicht als Erste erkannt. „9 von 10 Hollywoodstars benutzen Luxor-Toilettenseife“ warb Sunlicht schon vor 50 Jahren und zeigte dazu das Bild von Sonja Ziemann. Wie? Sie wissen nicht, dass Sonja Ziemann in dem Farbfilm „Am Brunnen vor dem Tore“ die Wirtin Inge spielte? Oh Ruhm – so flüchtig wie Parfum.

Frauen, so sagte mir mal eine, seien in ihrem Leben ihrem Parfum treuer als ihrem Mann. Wie das Männer halten, ist mir nicht bekannt. Nur so viel: Es könnte Gerhard Schröder oder Julio Iglesias auf der After-Shave-Flasche stehen, niemals würde ich meinen Pino Silvestre dafür eintauschen. Pino Silvestre ist zwar weder Spitzenpolitiker noch Sänger, sondern vielleicht nur eine Erfindung der ziemlich unbekannten Firma Mavive bei Venedig, doch das kleine grüne Fläschchen in Form eines Pinienzapfens wird mich mit Sicherheit bis ins Grab begleiten.

Das Schöne an diesem seit 1955 immer gleich gebliebenen, intensiven, ja, manche sagen penetranten Duft ist die Erfahrung, dass nur starke Frauen ihn ertragen. Er trennt die Spreu vom Weizen schon beim ersten Zusammentreffen. Das Nicht-so-Schöne daran ist, dass man diese Marke kaum noch im Laden findet. Vor etwa fünfzehn Jahren stieg in einer Florenzer Seitengasse die Verkäuferin auf eine Leiter und pustete demonstrativ den Staub von der Verpackung, ehe sie mir meinen Pino überreichte.

Seither frage ich in den Parfümerien dieser Welt meist vergeblich nach Pino (und darum nehme ich gerne auch von taz-Lesern alte, angebrochene Flaschen in Zahlung). Pino Silvestre braucht nämlich keine Werbung mit Prominenten. Pino braucht nur Mut. Mut zur Einsamkeit. Obwohl – wie mir eine gewisse Manuela Caberlotto jetzt aus Italien mitteilte, hätte der Hersteller von Pino Silvestre in der Vergangenheit auch schon einmal versucht, den Verkauf des Männerparfums durch den berühmten Sänger Elgbert Humpredict zu steigern. Der Fehler war eben nur, dass Elgbert Humpredict gar niemand kannte.

Fragen zu Pino?kolumne@taz.de