ortstermin: kurt beck besucht rendsburg : Ehrenamtler sind ganz doll lieb
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen AutorInnen der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
Erst mal Stühle schleppen: Nur für gut 100 Gäste gab es Plätze im Saal des „Hohen Arsenal“ in Rendsburg, aber ein paar mehr wollten dann doch hören, was SPD-Parteichef Kurt Beck zu sagen hatte. Auch die SPD-Prominenz, bestehend aus Landesparteichef Ralf Stegner, Vizeministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave und Sozialministerin Gitta Trauernicht, musste eine Weile warten, bis Sitze herangeschafft wurden, und am Ende blieb eine ganze Reihe GenossInnen stehen.
„Deutschland-Dialog: Nah bei den Menschen“ heißt die Reihe, die in Rendsburg startete. Bei 45 Veranstaltungen quer durch die Republik will der Parteichef hören, was die Basis denkt, die Ergebnisse sollen in das Wahl- und Regierungsprogramm 2009 einfließen. Das Logo der Reihe zeigt Figuren im Schattenriss, im Blickpunkt zwei Frauen und ein Mann: Die eine Frau stemmt zickig eine Hand in die Hüfte, die andere redet auf sie ein, der Mann steht dazwischen, die Arme vor der Brust verkreuzt – Körperhaltungen, bei denen man ahnt: Da kommt nix rum.
Auch in Rendsburg stand vor dem Dialog der Monolog. Zuhören wolle er, versicherte Kurt Beck, zunächst aber redete er eine Weile: Der Abend diente schließlich auch dazu, die Basis mit den aktuellen Plänen der Partei vertraut zu machen. So rumpelte denn der rhetorische Karren los, beladen mit „Best of SPD-Programm“: Beck startete mit Lob für das Ehrenamt, dann folgte die Arbeitswelt: „Wer in einem ordentlichen Betrieb arbeitet und ordentliche Arbeit leistet, soll auch ordentlich verdienen“, gefolgt von Bildung und mangelnden Chancen für Kinder aus sozial schwachen Familien: „Die Aufstiegsrealität ist rückläufig“, gefolgt von behinderten Menschen (respektieren), gefolgt von Europa (soll zusammenwachsen), gefolgt von Umweltschutz (wichtig), gefolgt vom demografischen Wandel (kommt), worauf Beck den Bogen zurück zum Ehrenamt schlug: Auch Ältere können sich schließlich engagieren.
Nach einer Rede des früheren SPD-Innenministers und heutigen Präsidenten des Landessportverbandes, Ekkehard Wienholtz, zu den Verdiensten der Ehrenamtlichen in den Sportvereinen, kam man zu den Fragen. Die hatten die GenossInnen vorher schriftlich einreichen müssen – nicht, um zu zensieren, versicherte der Moderator, nur der besseren Übersicht wegen. Und beantwortet werde jede Frage, wenn auch wahrscheinlich später und schriftlich. Ein Jugendlicher sprach sich für den Erhalt der Realschulen aus. Der beste Beweis dafür sei doch Beck selbst: „Sie haben auch die Mittelschule besucht und sind heute Oppositionsführer.“ Beck korrigierte hastig: „Ministerpräsident!“ Die Veranstaltung endete mitten in der zweiten Fragerunde abrupt: Draußen wartete der NDR für ein Interview.
Die meisten GenossInnen waren dennoch zufrieden: Sachlich, klar, vernünftig habe der Beck gesprochen, sich von den Linken abgegrenzt. Eine Kielerin fand allerdings, dass der Vorsitzende zu weitschweifig geredet hätte, und sechs Fragen aus dem Publikum seien auch nicht viel. Immerhin: Nach dem Interview blieb Kurt Beck noch im Foyer. Man plauderte, die Stimmung wirkte entspannt. Eine Weile war der SPD-Chef da, wo er an diesem Abend hinwollte: Ganz nah bei den Menschen.
ESTHER GEISSLINGER