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Archiv-Artikel

ortstermin: der papst in bronze Sauerkraut und Blumenkränze

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Das ältere Paar steht ganz vorne in der Zuschauermenge. Sie trägt ein aufwendig geschnürtes Trachtenkleid, ins weiße Haar hat sie einen Blumenkranz geflochten. Ihre Wangen sind gerötet, sie hat sich eingehängt bei ihrem Mann, dessen Uniform mit Schärpe an die Paradeuniformen der Kaiserzeit erinnert. Seine Kopfbedeckung endet in einem weißen Puschel.

Die beiden stehen feierlich da, als gelte die Zeremonie ihnen allein. „Das ist die Uniform der Bergarbeiter aus Oberschlesien“, flüstert mir meine Nachbarin zu. Wie viele hält sie eine Digitalkamera hoch, um den Moment zu erwischen, in dem das Papstdenkmal enthüllt wird. Der polnische Botschafter ist da, die Kultursenatorin, viele Priester, vor allem aber die polnischen Katholiken Hamburgs. 20.000 Mitglieder zählt die Gemeinde, ihre Fahne mit einer dunklen Madonna und einem dunklen Jesuskind ist hinter dem Denkmal ausgestellt.

Der Hamburger Erzbischof steht mit Bischofsstab vor dem Denkmal, nach der Enthüllung legt er den Arm um die Schulter des Bronzepapstes. Überlebensgroß steht Johannes Paul II. ohne Sockel, direkt bei den Menschen, wie später gesagt werden wird. Das Papstdenkmal sieht schrundig aus, als hätte man in die breiten Schultern, die sich zu den Gläubigen herabbeugen, Wunden geschlagen. Das liege an der Arbeitsweise des Künstlers, wird später ein Kunstprofessor erklären, der arbeite ausschließlich mit Kettensäge und Axt, dies sei sein Markenzeichen.

Der Kunstprofessor kommt aus Kiel, mit seinem Backenbart und dem langen, weißen Haaren sieht er aus wie einer der Pilger-Väter. Er redet als letzter beim Empfang im katholischen Gemeindesaal, wo es streng nach Sauerkraut riecht. Lange habe der Künstler nach einer Eiche gesucht, die groß genug für die Urform des Papstes war, sagt der Professor. Die Gäste an den Stehtischen sind da schon beim Essen. Es gibt Bigos, ein polnisches Nationalgericht.

Der Künstler ist auch da, er steht auf und verbeugt sich. Der Mann sieht verwegen aus, man kann sich gut vorstellen, wie er riesige Eichenstämme mit der Kettensäge bearbeitet. Mittlerweile lebt er nicht mehr in Polen, sondern am Starnberger See. Dem Papst ist er nie begegnet. „Und das, obwohl Sie aus der hohen Tatra kommen, wo der Papst immer Skilaufen war“, tadelt der Professor. Der Künstler lächelt verlegen.

Draußen vor dem Papstdenkmal liegen Blumenkränze, ein Mann kniet auf dem Boden und betet. Ein anderer legt dem Papst den Arm um die Schulter und grinst, seine Freundin fotografiert die Szene. DANIEL WIESE