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Archiv-Artikel

oliver kahn Er tobt wieder

Vermutlich hat Oliver Kahn auf einem Fußballplatz nicht sehr oft einen schlimmeren Horror erlebt als in dieser zweiten Halbzeit der 0:1-Niederlage Bayern Münchens bei Alemannia Aachen. Eigentlich ist der 37-Jährige ja recht ruhig geworden mit den Jahren, selbst den Verlust des Nummer-eins-Status in der Nationalmannschaft hat er mit einer Geste der Weisheit hingenommen. Doch in Aachen fehlte nicht viel und Kahn hätte sich einen veritablen Rückfall in die längst vergangenen Würgegriff-, Karatesprung- und Ohrbeißerzeiten erlaubt. Er tobte, schrie seine Mitspieler an, war in diverse Handgemenge verstrickt, er versuchte alles, um eine Niederlage abzuwenden. Doch das Bemühen wirkte hilflos, der Torhüter blieb gefangen in seinem Kreideviereck. „Man hat gemerkt, dass er total unter Strom steht“, sagte Aachens Sascha Rösler.

Das ist deprimierend, denn für Kahn geht es derzeit um mehr als nur um den Erfolg. Noch nie leiden konnte er es, wenn seine Mitspieler den erforderlichen „Fightcharakter“ nicht aufbringen, wie er in Aachen formulierte. Doch in diesen Tagen droht zudem das Ende eines Mythos. Die Bayern haben mittlerweile fünf Punkte Rückstand auf den dritten Platz, der wenigstens zur Teilnahme an den Qualifikationsspielen für die Champions League berechtigt. Da Kahn seine Karriere im Sommer 2008 beenden wird, drohen die beiden anstehenden Partien gegen Real Madrid Kahns letzte Einsätze in diesem so heiß geliebten Wettbewerb zu werden. „Ich will nicht Uefa-Cup spielen“, sagte er in Aachen, und da schwang dieses seltsame Unbehagen mit, das aufkommt, wenn eine große Karriere irgendwie traurig zu Ende geht.

Mit 128 Spielen ist Kahn jener deutsche Spieler mit den meisten Einsätzen in der Champions League, er hat den Pokal 2001 gewonnen, der Wettbewerb war in den letzten Jahren immer der Motor des Kahn’schen Wirkens bei Bayern München. Nun droht diese Kraft verloren zu gehen. „Leidenschaft und Kampf“ forderte Kahn von seinen Mitspielern, „als würden wir gegen den Abstieg spielen“. In Wahrheit ist es ein Abstiegskampf. Es droht der Abstieg aus der Champions League, an der die Bayern seit 1995 ununterbrochen teilnehmen. DANIEL THEWELEIT