off-kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Eine Story, die man kennt: Die Grauen Herren überreden die Menschen zur Zeitersparnis und bunkern die gewonnenen Stunden in ihrer Zeitsparkasse – denn die Zeit, die sie den Menschen stehlen, ist ihr Lebenselixier. Bis die Grauen Herren auf ein mysteriöses Mädchen mit einem viel zu großen Mantel treffen, das sich einfach nicht korrumpieren lässt. Klar: Der Fratz, der die Welt vor ermüdender Hektik und eintönigem Grau rettet, ist Momo, die kleine Titelheldin aus Michael Endes Kinderbuchklassiker. In seiner an ein hübsches Bilderbuch gemahnenden Zeichentrickverfilmung bereitet der italienische Regisseur Enzo d’Alò – einer der wenigen Meister seiner Zunft mit pädagogischen Absichten – die gar nicht so einfach zu verstehende Parabel erfolgreich für Kids im Vorschulalter auf: Mit der naiven Momo, die bei ihren Abenteuern meist von netten Tieren begleitet wird, steht eine charmante Identifikationsfigur zur Verfügung, und die Grauen Herren wirken dann letztlich doch eher komisch als bedrohlich. Intellektuell überfordert wird hier niemand – trotzdem bleibt d’Alòs Anliegen immer deutlich: den Kindern kleine Denkanstöße für den Umgang und das Zusammenleben mit anderen Menschen liefern.
Ebenfalls auf einem berühmten Kinderbuch beruht „Oh, wie schön ist Panama“: Janoschs Klassiker um die Freunde Bär und Tiger, die, inspiriert von einer verführerisch duftenden Bananenkiste, mit Topf, Angel und Tigerente nach Panama reisen möchten, hat der tschechische Regisseur Martin Otevrel sympathisch in klassische Animation umgesetzt. Das Tempo der Reise – die letztlich nicht in die Ferne, sondern bloß wieder nach Hause führt – bleibt angenehm bedächtig und die Erlebnisse der beiden mit anderen Tieren sind freundschaftlich und freundlich. Und Janoschs Philosophie, dass man seine Erfahrungen mit der Welt schon selbst machen muss, findet sich im Film, dessen zweite Hälfte allerdings dem Buch hinzuerfunden wurde, durchaus wieder.
Eine interessante Möglichkeit der Filmanimation ist auch das ursprünglich für biomechanische Studien entwickelte Motion-Capture-Verfahren: Reale Darsteller tragen spezielle Kostüme und werden an jedem Gelenk (oder im Gesicht an speziellen Muskeln) mit optischen Reflektoren und/oder magnetischen Rezeptoren versehen. Mimik und komplexe Bewegungsabläufe können sodann von digitalen Kameras aufgezeichnet und abschließend im Computer auf eine 3D-Figur übertragen werden. Diese Technik findet auch in Gil Kenans Kinder-Horrorfilm „Monster House“ ihre Anwendung und führt zu Figuren, die sich sehr realistisch bewegen, obgleich sie – zumindest in diesem Fall – stark stilisiert sind. Die Geschichte, in der es drei Kinder aus der Vorstadt mit einem bösartigen lebenden Haus zu tun bekommen, bietet dabei vergnügliche Unterhaltung und wohligen Geisterbahnhorror mit exzellenten Dialogen und makaberem Witz im Detail. Obwohl der Film ab 6 Jahre freigegeben ist, eignet er sich nicht für kleine Kinder, sondern bestenfalls für hartgesottene Kids ab 10 … Lars Penning