nullwachstum : Die Crux des Sparens
Hans Eichel ist ein ernsthafter Mann. Das Gemeinwesen dürfe nicht über seine Verhältnisse leben, erklärt der Bundesfinanzminister immerzu und lässt sich in diesem Glauben durch nichts erschüttern. Was sind schon die Wirtschaftsforscher, die sein Credo ins Reich der Mystik verweisen? Null Wirtschaftswachstum 2003, sinkende Steuereinnahmen, steigendes Staatsdefizit – trotz allem trägt Eichel sein Kreuz. Er gibt sich als Märtyrer des Sparens. Dieser Finanzminister, möchte man glauben, würde für seine Überzeugung den politischen Tod sterben.
Kommentar von HANNES KOCH
Die letzten beiden Jahre waren für Eichel ein langer Leidensweg. Bald ist die nächste Station erreicht: der Nachtragshaushalt 2003 mit seinen 43 Milliarden Euro Bundesschulden. Schon wieder ein neuer Rekord, und die wirtschaftspolitische Lage ist nicht dazu angetan, die Miesen in der Staatsbilanz zu verringern. Mit ihrer Blockade der rot-grünen Sparversuche trägt die Union ihr Scherflein dazu bei, die Schulden in die Höhe zu treiben. Und drei Jahre ökonomische Stagnation tun ein Übriges.
Vor der Geschichte behalten Märtyrer nicht selten Recht. Und doch sind sie die Verlierer, die für ihre Aufrichtigkeit teuer bezahlen. Mit aller Kraft stemmen sie sich gegen die Realität, die ihnen Abschwörung abverlangt. Diesen Preis aber will Hans Eichel nicht zahlen. Es ist nicht seine Art, wider seine Überzeugung den Maastricht-Vertrag mit den Obergrenzen für Schulden für einige Jahre beiseite zu legen. Auch widerstrebt es dem durch die karge Nachkriegszeit Geprägten zutiefst, noch zusätzlich 30 Milliarden Euro in die Wirtschaft zu pumpen, um sie in den Aufschwung zu prügeln – was manche Ökonomen ihm raten.
In drei Jahren will Gerhard Schröder sein Amt noch einmal erringen. Einen Märtyrer kann Schröder schon in der Vorwahlkampfzeit nicht gebrauchen: einen, der sein großes Ziel eines Landes ohne Neuverschuldung nicht erreicht und dennoch immerzu davon redet. Jetzt von sich aus zurückzutreten entspricht nicht Eichels Pflichtbewusstsein, aber ein Ende ist wohl in Sicht. An den großen Linien der Politik wird Eichels Abberufung wenig ändern – Maastricht und das Spargebot bleiben uns erhalten. Wer immer Eichel beerbt, wird sich nicht mehr so entschieden zur Sparpolitik bekennen. Das Gebot der Haushaltskonsolidierung verliert den Charakter eines Glaubenssatzes. Auf den Märtyrer folgt dann wieder ein Realpolitiker.
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