neues aus neuseeland: krokodilstränen bei königs von ANKE RICHTER :
Als Te Arikinui Dame Te Atairangikaahu kürzlich mit einer Kanu-Prozession am Waikato-Fluss beerdigt wurde, glaubte die Welt, die Königin der Maori sei gestorben. Falsch. Bei der Dialyse-Patientin und siebenfachen Mutter muss es sich um eine Halbgöttin gehandelt haben. Anders ist die spirituelle Dunstglocke nicht zu erklären, die sich seit der Beisetzung der hochwürdigen Dame über die säkularste Demokratie der Welt gelegt hat. Überall wabert es. Die Nebel über dem Waikato rissen einen TV-Reporter zu dem Nachrichtensplitter hin, hier handele es sich um die Geister der Vorfahren. Ein Leitartikler erging sich in nekrologischem Kitsch: „Dieses Kanu wird in unserer Erinnerung lange flussabwärts fahren … Wir sitzen gemeinsam in dem Boot.“
Vollends von allen guten Flussgeistern verlassen war Premierministerin Helen Clark, eine stramme Linke und erklärte Agnostikerin, die dem Sarg hinterhersäuselte: „Te Arikinui, du wirst die letzte Reise auf dem Fluss deiner Vorfahren antreten, wo hinter jeder Biegung der Taniwha (Naturgeist) wartet, zum heiligen Berg Taupiri …“ Erstaunlich, was so alles in Menschen steckt, die seit langem dafür plädieren, dass Neuseeland eine Republik wird und sich von der Queen löst. Der englischen, wohlgemerkt. Die eigene Kuini dagegen darf man ohne Rücksicht auf Peinlichkeit und Pathos verehren, bis sie sich vor lauter posthumer Heiligsprechung dreimal im frisch gebuddelten Grab gedreht hat.
Egal, dass die schwerreiche Regentin sich zeit ihres Lebens lediglich durch vornehme Zurückhaltung, Schuleinweihungen, Händeschütteln mit Nelson Mandela und vollendete Liebenswürdigkeit ausgezeichnet hat – den Nachrufen und Abschiedshymnen nach zu urteilen muss es sich um die antipodische Ausgabe von Mutter Teresa gehandelt haben: übermenschlich, unsterblich. Unfassbar.
Für den Rausch Royal gibt es zwei Gründe. Erstens: Dame Te Ata war eine von uns. Also Neuseeländerin. Und alles, was speziell neuseeländisch ist, findet der Kiwi schon aus Prinzip ganz toll. Dahinter steckt der tiefe Minderwertigkeitskomplex, vom Rest der Welt ignoriert zu werden. Das schweißt zusammen.
Zweitens: Dame Te Ata war Maori. Und wer sich für die entrechteten Urvölker dieser Welt in die Bresche wirft, muss Christenlieder singen, Blut und Boden ehren und einer Monarchin huldigen, die man im eigenen Kulturkreis mit gesundem Zynismus oder zumindest der nötigen Skepsis gegenüber dynastischer Erbfolge betrachten würde. Ganz abgesehen davon, dass bei Königs traditionell eher selten Befreiungskämpfe für ausgebeutete Minderheiten angezettelt werden. Da wäre eine Baader-Maori- Bande wohl effektiver.
Bei Prinzessin Diana war die Lage damals klarer. Dieselben Blätter, die gern über Reitlehrer-Sex, Essstörungen und intellektuelle Hohlräume in Oberstübchen gelästert hatten, vergossen nach dem Tunneltod Krokodilstränen, als sei der Welt brutal die Anwärterin auf den Friedensnobelpreis entrissen worden. Das musste so sein, denn das arme Ding war schließlich prominent. Dass die gleichen internationalen Spielregeln jetzt auch für ein unbekanntes Maori-Mütterchen gelten – das ist der Lichtblick in all dem Trauernebel.