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Archiv-Artikel

neues aus neuseeland: ein stein fliegt erster klasse nach china von ANKE RICHTER

Porirua liegt zwar gleich neben der Hauptstadt Wellington, verhält sich dazu aber in etwa so glamourös und weltstädtisch wie Elmshorn zu Hamburg. Obwohl eigentlich eine eigene Stadt, ist „Rua“ der sozial schwache Vorort der neuseeländischen Metropole: ein pazifisches Berlin-Marzahn oder antipodisches München-Hasenbergl, mit Dealern, schrottreifen Autos, viel tätowierter Haut und Sonntagsausflügen zu „Kentucky Fried Chicken“. Man liebt es oder hasst es, nur eines sollte man tunlichst nicht tun: Sich Porirua als Freund aussuchen.

Diesen Fehler machte letztens das Städtchen Bamyan in Afghanistan, das immerhin von sich behaupten kann, an der alten Seidenstraße zu liegen. Es hat Kriege, Kreuzzüge und Kaufleute überlebt, da wird es hoffentlich auch diese Schmach überstehen: Das abgewrackte Porirua hat die höfliche Bitte von Bamyan nach einer Städtepartnerschaft abgelehnt. Thanks, but no thanks. Die Begründung, wenn auch offiziell eleganter formuliert, lautete: Da ist nichts zu holen, außer alten Kalaschnikows.

Warum den armen Menschen von Bamiyan unter die Arme greifen und Lokalpolitiker zum Händeschütteln zu Taliban-Opfern schicken, wenn sich daran keine Geschäfte knüpfen lassen? Kulturelles Brückenschlagen und Völkerverständigung schön und gut – aber der eigentliche Sinn einer Städtepartnerschaft, so gibt es der Verein „Sister Cities NZ“ unumwunden zu, sind Aufträge für die Wirtschaft. Und da sei nun mal China ein „unglaublich aufregendes“ Terrain.

47 Städte in China haben es zu einer Partnerschaft mit Kiwi-Käffern geschafft. Dagegen verblasst der Rest der Welt. Weil China so „unglaublich aufregend“ ist, hat die neuseeländische Regierung dieses Jahr ein Freihandelsabkommen mit dem Großen Roten Bruder eingefädelt. Immer mehr Firmen, die sich einst „Made in NZ“ rühmen konnten, entlassen ihre Leute daheim und produzieren günstiger in Fernost. Das macht viele Kiwis sauer. Sweet and sour. Billigschrott-Import wird boykottiert.

Auf wenig Begeisterung stieß daher auch das Gastgeschenk, das die Verwaltung von Christchurch an den Industriemoloch Wuhan in China übersenden ließ. Laut Protokoll musste das Präsent für die Neunmillionenstadt einer Freundschaft würdig sein, die auf viel Fließbandarbeit angelegt ist: Ein Brocken Pounamu, die Jade der Maori, musste her, im Wert von 5.000 Dollar. Da auch Ngai Tahu, der Maori-Stamm der Südinsel, bei der Schenkung ein Wörtchen mitzureden hatte und spirituelle Kräfte an Chinas Brüder und Schwestern übersandt werden sollten, war die richtige Handhabung unumgänglich: Nur auserwählte Maori mit hohem Ansehen durften den 35 Kilo schweren grünen Brocken, nach dem wochenlang in der Wildnis gesucht worden war, an die neuen chinesischen Freunde überbringen.

So kam es, dass ein massiver Stein erster Klasse Richtung Wuhan flog, während zwei betagte Ngai-Tahu-Kuriere in der Holzklasse saßen. Christchurchs Bürgermeister übergab das „grüne Gold“ schließlich den chinesischen Freunden. Und Bamyan in Afghanistan? Ging zwar leer aus, was eingeflogene Steine angeht, hat aber zu guter Letzt doch noch eine Partnerschaft ergattert: mit Gering, Nebraska, USA.