neues aus neuseeland: die rache der delfine von ANKE RICHTER :
Die Rache der Delfine ist fast so böse wie die Rache des Stachelrochens am unvergessenen Steve Irvin: Sie trifft immer die, die es doch am allerbesten mit der lieben Kreatur meinen. Nur so lässt sich erklären, warum eine junge Frau namens Kelly James bei einem Bootsausflug vor der Coromandel-Halbinsel fast von einem Delfin zu Tode erdrückt wurde. Das Tier schoss aus dem Wasser hoch, fiel ins Boot und mit seinen rund 300 Kilo auf die 27-Jährige, die seitdem mit zerquetschtem Brustkorb und lebensgefährlichen inneren Verletzungen im Krankenhaus von Auckland liegt.
Während Kelly James vom Krankenbett aus eine PR-Agentur beschäftigt, die jetzt die Geschichte der traumatischen Bootstour für zehntausende von Dollar zu vermarkten versucht, kamen erschreckende Details der Attacke ans Licht: Kelly James trägt eine Delfin-Tätowierung am Körper. Und vom Rückspiegel ihres Autos baumeln Spielzeug-Delfine. Kein Wunder, dass sie zum Opfer wurde!
Man versetze sich einmal in die ach so possierlichen Tierchen. Stell dir vor, du würdest in Porzellan gegossen in jedem Souvenir-Laden liegen, als Kristall Esoterik-Basare dekorieren, als Knochenschnitzerei um den Hals japanischer Touristen hängen, als Radiergummi zerrubbelt werden, als rosa Seife aufgeschäumt – wer hält das aus? Wenn deine tägliche Plauderei mit den Kumpels – „Leckeres Plankton heute“, „Ach, schau mal, die fette Robbe da hinten“ – auf CDs gepresst und verhaltensgestörten Kindern als „Unterwasser-Meditation“ vorgespielt wird, dann drehst auch du irgendwann durch. Und spätestens, wenn besagte Kinder sich ihre Hintern mit Delfin-bedrucktem Klopapier abwischen, dann muss endlich Schluss sein mit dem ganzen Wahnsinn.
Verstehe einer, warum aus dem einst gejagten Fleisch der Ozeane mystische Wesen wurden, neben denen man jetzt für um die hundert Dollar pro Kopf eine Stunde im Wasser schwimmen darf. Und was ein Zufall, dass dieser Sinneswandel zeitgleich mit der Beliebtheit des Rucksackreisens einherging. Das haben die Bauernhof-Betreiber nicht so gut hingekriegt wie die cleveren Geschäftsleute an Neuseelands Küsten: Kein Tourist stellt sich freiwillig eine Stunde auf die Schafsweide, um mystischem Geblöke zu lauschen und sich für teures Geld ein Weilchen an der Wolle zu reiben. Dabei würde eine „Grasen mit den Schafen“- statt „Schwimmen mit den Delfinen“-Aktion bei Verhaltensstörungen viel besser helfen, weil die Absurdität des Ganzen sich sofort erschließt: das beste Rezept gegen Idiotie.
Auch der Wal, eine mindestens genauso verklärte Spezies, setzt sich endlich gegen seine Verniedlichung zur Wehr. Vor wenigen Wochen sank in der kühlen See vor Auckland ein Katamaran. Der Segler berichtete später, er sei von einem Buckelwal angestarrt worden, der daraufhin mit sechs weiteren Gefährten unter dem Boot durchtauchte und es schließlich zum Kentern brachte. „Man konnte sie sprechen hören, lauter Klickgeräusche“, erinnerte sich der verstörte Mann, nachdem er aus den Fluten gerettet wurde. Es klang kein bisschen mystisch. Eher gemein. Wahrscheinlich lachten sich die Wale vor Schadenfreude ins Flösschen.