neue rolle für den iwf: GEFAHR DER PRIVATISIERUNG
Köhler ist ein Kompromisskandidat: Er ist Deutscher. Damit rettet seine Nominierung Kanzler Schröder vor einer erneuten Blamage. Gleichzeitig können auch die konservativen Finanzkreise in den USA mit Köhler leben: Er ist – peinlich genug für den Kanzler – kein Sozialdemokrat. Anders als Schröders Erstversuch Koch-Weser gilt Köhler nicht als Vertreter einer eher keynesianischen Wirtschaftsrichtung. Das mag erklären, warum Clinton den EU-Kandidaten schnell akzeptiert hat.
Die andere These: Ob Köhler, Koch-Weser oder ein ganz anderer, ist eigentlich egal. Was zählt: Die USA haben beim ersten Kandidaten ihr Veto eingelegt und damit gezeigt, wer der Herr im Hause ist. Denn jetzt gilt es, die Rolle des IWF neu zu bestimmen.
Wohl nicht ganz zufällig legte just zwei Tage, nachdem Koch-Weser gescheitert war, eine Expertenkommission dem US-Kongress ein Reformpapier vor: Der IWF solle sich auf seine ursprüngliche Funktion besinnen, bei drohenden Krisen die Zahlungsbilanz auszugleichen. Langfristige, gar an Strukturreformen gebundene Kredite möchte man der Weltbank überlassen. Die Ländervertreter im Währungsfonds sollen Teile ihrer Kompetenzen an die private Finanzindustrie abtreten.
Auch den traditionell liberalen Amerikanern ist indes bekannt, dass einige europäische Linksregierungen den Fonds nicht nur als „Nachtwächter“ begreifen, sondern als ein Instrument zur Regulierung der Finanzmärkte. Die transatlantische IWF-Diskussion dreht sich nun vor allem um die Fragen: Wie viel Freiheit, wie viel Intervention soll es künftig auf den Kapitalmärkten geben? Wird der IWF seine Funktion als öffentliche Kreditanstalt behalten – oder wird er zur Privatbank?
Bleibt abzuwarten, ob Köhler sich in Washington seiner sozialdemokratischen Protegés erinnert, wenn es um die anstehenden Reformen geht. Auf jeden Fall ist es ein absolutes Muss, auch die privaten Anleger in die Verantwortung für die Finanzkrisen einzubeziehen. Die bisherige Praxis, die die Verluste privater Anleger über Steuergelder sozialisiert, verhöhnt die Lohnabhängigen weltweit.
Der Privatisierung des Fonds hingegen wird sich Köhler hoffentlich widersetzen. Wenn der IWF sich künftig zu den üblichen Zinsen am Kapitalmarkt finanzieren muss – dann wird es eine Privatbank mehr geben. Dann kann man den IWF auch gleich abschaffen. KATHARINA KOUFEN
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