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nebensachen aus warschauDer Papst und der Meteorit

Wenn Gott im Himmel ein Stein vom Herzen fällt

Ein Meteorit fällt vom Himmel, zerschlägt das Glasdach einer Galerie in Warschau und – trifft den Papst. Ausgerechnet den Papst! Und noch dazu in seinem Heimatland. Die Polen sind empört. Jetzt liegt der Papst also – „Berühren verboten!“ – mitten in einer Warschauer Galerie und wartet darauf, dass jemand den Meteoriten wegrollt. Allein jedenfalls, das sieht jeder, schafft er es nicht, das schwere Ding von sich zu werfen.

Aber um ihn herum liegen Scherben, und auf dem Fußboden ist noch dazu ein dünner Strich gezogen. „Keinen Schritt weiter!“, bedeutet er. „Hier beginnt die heilige Sphäre der Kunst.“ Und so laufen die Ausstellungsbesucher vor der Linie hin und her und ringen mit sich selbst: „Was tun? In das Kunstwerk stürzen und den Papst vom Meteoriten befreien?“ Aber vielleicht bricht dann das Kunstwerk auseinander? Und dann droht eine 1.000-Zloty-Strafe für Sachbeschädigung.

Die Direktorin der Galerie muss her: Sie muss den Papst entfernen, nein – den Meteoriten, überhaupt das ganze Kunstwerk des Maurizio Cattelana. „Gotteslästerung ist das“, schreien die Besucher aufgebracht. „Wie kann denn ein Meteorit den Papst treffen? Noch dazu in Warschau!“ „Da liegt doch nicht der Papst!“, ruft die Direktorin. „Das ist doch nur ein Symbol für die Schwere der Mission des Papstes.“ Niemand versteht sie. Fassungslos schluchzt eine Besucherin: „Aber der Papst liegt doch da! Und der schwere Stein! Warum liegt denn der Stein auf dem Papst?“ Ein Besucher flüstert seiner Frau ins Ohr: „Wusstest du, dass der Papst jeden Tag von einem Meteoriten getroffen wird?“ Die schüttelt den Kopf: „Nein. Wie hält er das nur aus?“

Die Ausstellung ist noch keine zwei Tage geöffnet, da soll sie schon wieder geschlossen werden. Der Kulturminister will sich gleich nach der Rückkehr aus Moskau um die Angelegenheit kümmern, auch der Vorsitzende des Kulturauschusses im Parlament. Im Senat wollen einige, dass in Polen nur noch Kunst in Form des Schönen und Guten präsentiert wird. Auf jeden Fall, so die Empörten, muss verhindert werden, dass noch mal ein Meteorit auf Polen fällt. Und wenn, dann muss die Wachsfigur des Papstes zuvor in Sicherheit gebracht werden.

Möglicherweise kommen aber doch noch einige Polen auf die Idee, dass sie ja eigentlich nur die Trennlinie auf dem Fußboden überschreiten müssten, um dem Papst zu Hilfe zu eilen und den Meteoriten auf die Seite zu rollen. Damit wäre zwar das Kunstwerk zerstört, aber am Ende wären alle zufrieden – der Künstler, weil er einen Skandal hätte und damit eine hervorragende Reklame. Und die empörten Polen, weil sie der Welt gezeigt hätten, dass dem Papst in seiner Heimat kein Meteorit auf den Kopf fallen kann, ohne dass seine Landsleute einschreiten würden. GABRIELE LESSER

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