nebensachen aus tel aviv: Am Strand der israelischen Metropole herrscht friedliche Koexistenz
Fernab von Camp David
Juli in Tel Aviv. Heiß, heiß, heiß. Die Leute retten sich vom vollklimatisierten Büro zum klimatisierten Auto, in die gekühlten Busse und Einkaufszentren. Am Strand liegen die knapp bekleideten Wasserfans so dicht beieinander, dass private Gespräche kaum möglich sind. Erst am späten Nachmittag werden Badehosen und Schwimmringe der Kinder eingepackt und die Mütter ziehen ihre engen Jeansshorts über die sandigen Hüften. Zurück bleiben Melonenkerne und Softeispapier.
Nördlich vom Hilton leert sich der Strandabschnitt, an dem man nach Geschlechtern getrennt badet. Die jüdischen und muslimischen Frauen und Männer, die hier nicht auf Grund ihres Glaubens, sondern ihrer Frömmigkeit friedlich miteinander koexistieren, kommen tagsüber – abends sind sie bei ihren Familien. Wenn Frauentag ist, liegt manchmal ein Spanner, von dem jeder weiß, jenseits der Mauer und guckt durch das Loch. Dabei sind die meisten Frauen nicht weniger keusch gekleidet, als sie es auch an einem gemischten Strand wären. Manch eine wagt sich selbst hier nur mit Hosen und Kopftuch ins kühle Nass.
Unmittelbar neben dem Abschnitt für die Frommen dürfen hinter einer etwa zwei Meter hohen Plastikplane die Homosexuellen baden. Ihr in der Stadt recht einflussreicher Verband hat das gesonderte Strandstück für sie durchgesetzt, das jedoch kaum und keinesfalls ausschließlich von den „Privilegierten“ genutzt wird. Die meisten Schwulen gehen längst an die normalen Strände, wo sich in der Regel niemand mehr daran stößt, wenn zwei Männer Händchen haltend spazieren gehen. Alles in allem geht es harmlos zu im Heiligen Land. Weder Nacktbaden noch „oben ohne“ ist angesagt, und das nicht nur aus Rücksicht vor frommen Gefühlen.
Während auf der Promenade, die südlich der Hotels beginnt, immer mehr vor allem ältere Leute ihre Hunde ausführen, wechselt unten am Wasser das Publikum: Tai-Chi ist die nicht mehr ganz so neue, dafür aber umso dauerhaftere Mode. In Pumphosen und mit bloßem Oberkörper vollführen die Kampfsportkünstler ihre endlos langsamen Bewegungen und richten dabei den Blick auf die untergehende Sonne. Ab 18 Uhr zieht das New-Age-Zeitalter am Strand ein, einzig unterbrochen vom Tik-Tak der „Matkot“-Spieler. Mit Holzschlägern lancieren sich die jungen Israelis gegenseitig einen Plastikball zu. Die Spieler stehen immer direkt am Wasser, und wer jetzt noch spazieren geht, muss sich kopfeinziehend den Weg bahnen zwischen den durch die Luft zischenden Bällen.
Je weiter der Weg nach Süden führt, desto deutlicher wird die Silhouette der alten, arabischen Stadt Jaffa. Fast immer erst im Dunkeln kommen die arabischen Familien nach Tel Aviv, während mit später werdendem Abend der Strom der Juden aus Tel Aviv umgekehrt in Richtung Jaffa führt, zum Spaziergang in der Altstadt oder in eins der Restaurants am Hafen. Nur die jungen Leute bleiben im Bereich der Promenade, die an der Stadtgrenze endet. Die Bars und billigen Restaurants sind am frühen Abend schon so überfüllt, wie es tagsüber der Strand war. Für die israelischen Teenager gilt es jetzt, ihre frisch gebräunte Haut „an die Frau“ zu bringen. SUSANNE KNAUL
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