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nebensachen aus romWenn die perfekte Küchenmöblierung am Gaszähler scheitert

Normgerecht bei einer Explosion in die Luft fliegen

Die neue Wohnung ist bezugsfertig – fast. Bloß die Küchenmöbel fehlen. Kein Problem, meint der Mensch vom Küchenladen. „In zwei Tagen ist alles erledigt.“ Sein Blick schweift durch den kahlen Raum, wird plötzlich finster. „Aber der Gaszähler da, der muss weg.“

Grau und hässlich hängt der Zähler mitten auf der Wand, umgeben von beigen Rohren. Der Mann weiß Rat. „Rufen Sie den Klempner. Ein kleiner, moderner Zähler, neue Rohre, alles weiter oben auf der Wand – und die Möbel passen.“ Der Herr Klempner erklärt sich für unzuständig. Eigentum der Italgas – der Gasfirma – seien Rohre und Zähler. Nur die Firma selbst könne den Umbau vornehmen, erklärt er freundlich.

Freundlich ist auch die Dame am Schalter von Italgas. „Sie zahlen 260 Euro, und in ein paar Tagen kommen unsere Techniker. Die erledigen das in einer halben Stunde.“ Fertig ist der Techniker schon nach einer Minute. „Da geh ich nicht dran. Das ist eine Altanlage, da dürfen wir keine Zähler austauschen.“ Kein Bitten hilft, dafür gibt es wieder guten Rat. „Rufen Sie beim Italgas-Callcenter an und sagen Sie, dass es nach Gas riecht in der Küche. Dann können wir den Zähler wechseln, und Sie kriegen Ihre 260 Euro zurück. Notfallreparaturen sind kostenlos.“

Einen Tag später ist das Krisenteam von Italgas vor Ort, zwei Männer. Schweigend schnüffeln sie die Luft und mustern den Zähler. „Okay“, sagt der Erste, „dann wollen wir mal, auch wenn’s nicht nach Gas riecht.“ „Nichts okay“, sagt Nummer zwei, „wir rühren nichts an.“ Mit einem Fuß im Knast stehe er, wenn er die Zange ansetze. Die ganze Anlage sei illegal. Sie entspreche nicht mehr gesetzlichen Normen.

Was das mit unserem Zähler zu tun hat, wollen wir wissen. „Stell’n Sie sich vor, Ihr Haus fliegt in die Luft, und ich hab vorher hier gearbeitet. Dann werde ich zur Verantwortung gezogen, weil ich nicht gemeldet habe, dass die Anlage normwidrig ist.“ Wenn wir ohne Zähleraustausch in die Luft fliegen? Das sei zwar unschön, aber juristisch einwandfrei. Normwidrige Altanlagen seien so lang normgerecht, wie keiner an ihnen rumbastele.

Wir insistieren, und der Streit über Küchenästhetik, Lebensgefahr und Logik endet mit einem Kompromiss. Der Chef der Italgas-Instandhaltung wird herbeitelefoniert. Wir haben Recht, erfahren wir, der Zähler ist alt und scheußlich, aber der Techniker hat auch Recht – das Teil steht unter Artenschutz, von wegen Normwidrigkeit jeden Eingriffs. Der Chef pumpt sich auf. „Wir machen keine halben Sachen! Richten Sie sich drauf ein, dass in vier Wochen unser Bautrupp anrückt und die Gasleitungen im ganzen Haus neu verlegt. So lange lassen Sie den Hochschrank provisorisch vor dem alten Zähler stehen.“

Monate gehen ins Land, der Zähler hängt am alten Platz, der Schrank steht in der Küche, und bei der Italgas-Hotline weiß keiner was von anstehenden Arbeiten in unserem Haus. Aber einen Tipp hat die Frau parat. „Schreiben Sie in einem Brief, im ganzen Treppenhaus riecht es nach Gas. Unsere Techniker kommen sofort.“

MICHAEL BRAUN

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