nebensachen aus jerusalem : Die israelische Armee möchte Mercedes-Jeeps kaufen
Aus Rücksicht ohne Stern
Israels Armee braucht dringend neue Jeeps. Sie würde sie am liebsten bei Mercedes erstehen. Dagegen hätte die Bundesregierung nichts einzuwenden. Schließlich geht es diesmal nicht um gepanzerte Truppentransporter, um deren Handel die Außenministerien in Jerusalem und Berlin vorübergehend miteinander rangen. Für normale Pkws, die lediglich über Vierradantrieb und besonders gute Stoßdämpfer verfügen, gibt es keine Exportbeschränkungen.
Der Handel wäre längst perfekt, gäbe es nicht Stimmen – diesmal auf israelischer Seite –, die nun Probleme mit dem Auto „made in Germany“ und vor allem mit dem Stern des Fahrzeugs haben. Man müsse Rücksicht auf die Gefühle der Holocaustüberlebendennehmen, wird argumentiert. Hingewiesen wird auf die umstrittene Rolle der Firma zur Zeit des Nazi-Regimes.
Daniel Barenboim bekam Ähnliches zu hören, nachdem er in Jerusalem eine Wagner-Ouvertüre anstimmen ließ und damit eine Debatte auslöste, die mehr Rückhall fand als der Protest gegen den Import des Volkswagens 40 Jahre zuvor. Damals fanden Demonstrationen gegen dieses zu einem „Symbol des deutschen Faschismus“ gewordene Auto statt. Dem Widerstand zum Trotz begann der Import des VWs, ähnlich wie die Einfuhr von Opel, BMW und Mercedes schon in den 60er-Jahren sehr erfolgversprechend.
Wieder sind es nicht die Überlebenden, die sich zu Wort melden, sondern Politiker und Journalisten, die meinen, besser zu verstehen, was in den Opfern vorgeht. Ihr Verständnis ist jedoch ein punktuelles, nicht selten eines, das den eigenen Interessen dient. Es gibt nicht mehr viele Themen, die einen breiten Konsens herstellen. Antideutsch sein ist nach wie vor „in“.
Bei der jetzigen Debatte geht es längst nicht mehr um die Holocaust-Überlebenden, sollte das überhaupt je der Fall gewesen sein, sondern um eine kollektive Empfindlichkeit, die mit entsprechender Wortwahl zur rechten Zeit und zum rechten Zweck berührt wird. Eine Empfindlichkeit, die die kostenfreie Lieferung deutscher U-Boote und Patriot-Abwehrraketen sehr wohl aushielt. Und eine Empfindlichkeit, die auch mit gepanzerten Truppentransportern gut zurechtgekommen wäre.
Wollte man tatsächlich Rücksicht auf die Leute nehmen, die den Nazi-Henkern entkommen sind, hätte zunächst die Einfuhr mehrerer tausend Mercedes-Busse verhindert werden müssen. Gerade für die älteren Bürger stellen die öffentlichen Fahrzeuge oft das wichtigste Verkehrsmittel dar. Sie können der Konfrontation mit dem deutschsprachigen Schild „Bus hält“, das jeweils per Knopfdruck aufleuchtet, gar nicht entkommen. Anders als bei einem Konzert und sicher anders als bei Militärjeeps, die nun wohl ihres traditionsschweren Firmenzeichens entledigt werden, um den Handel, der vorläufig auf Eis liegt, letztendlich doch noch möglich zu machen. SUSANNE KNAUL