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Archiv-Artikel

nebensachen aus islamabad Bündnis für rauschende Hochzeiten

Probleme werden in Pakistan erst bedeutend, wenn sie Islamabad erreichen. Seit mehr als 40.000 Hühner nahe der Hauptstadt getötet wurden, kam auch Militärmachthaber Pervez Musharraf nicht umhin, die ersten H5N1-Fälle zu bestätigen. Noch Anfang April galt Pakistan als vogelgrippefrei. Monate lang tat er sich schwer damit, obwohl klar war, dass die Seuche um Pakistan keinen Bogen machen würde.

Hintergrund der Zurückhaltung ist die starke Lobby der Geflügelindustrie – mit geschätzt einer Milliarde Euro Umsatz pro Jahr ein echter Wirtschaftsfaktor. Ihr Problem war bislang aber nicht die Vogelgrippe, sondern das umsatzschädliche Verbot der öffentlichen Bewirtung bei Hochzeiten. So forderte der Vorsitzende der Vereinigung der Geflügelproduzenten die Regierung auf, die Einbußen durch die Vogelgrippe mit einer Aufhebung des Bewirtungsverbots bei Hochzeiten auszugleichen.

Musharraf erklärte überraschend, dass er ernsthaft darüber nachdenke. Erst 2000 hatte er das von seinem demokratisch gewählten Vorgänger Premier Sharif 1997 erlassene „Gesetz zum Verbot verschwenderischer Ausgaben während der Hochzeit“ als „Präsidialbefehl zum Verbot protzender Zurschaustellung und verschwenderischer Hochzeitsausgaben“ verschärft.

Es war ein Affront für die sich als Inbegriff der Gastfreundschaft verstehenden Pakistaner. Verboten wurde alles, was nicht im eigenen Heim stattfinden könnte. Feiernde monierten die Einmischung in die Privatsphäre, Hoteliers, Hochzeitsausrichter und die Geflügelbranche ihre Verluste. Gemeinsam klagte man vor dem Obersten Gerichtshof. Dieser stellte 2002 die Verfassungswidrigkeit fest. Zum Bedauern der Kläger wurde der Gerichtspräsident in den Ruhestand versetzt und vergaß wie zufällig, das Urteil zu unterschreiben. Sein Nachfolger ließ es liegen und wartete ein Jahr, bis er in einem neuen Verfahren feststellte, opulente Festivitäten seien hinduistisch, also unislamisch.

Den Zweck, die ärmere Bevölkerung vor Verschuldung zu schützen, hat das Bewirtungsverbot erfüllt: Denn nur, wer es sich leisten kann, besticht die Polizei und zahlt für die Feierlichkeiten den doppelten Preis. Prominenteste Beispiele sind der Justizminister der Nordwestgrenzprovinz und der Bundesminister für Wasser und Energie, die die Heirat ihrer Söhne mit tausenden Gästen feierten. Der eine mietete einen Garnisonsklub, der andere ein ganzes Kricketstadion.

Auch wenn die Vogelgrippe den Geflügelkonsum reduziert, so erhöht sie doch die Chancen, dass das Parlament einem vorige Woche eingebrachten Gesetz zur Erlaubnis von einem Essen bei der Hochzeit zustimmen wird. Damit wird die Seuche zu einer Chance für die Lobbyisten und für Musharaf zur Möglichkeit, sein Gesetz gesichtswahrend zurückzunehmen. NILS ROSEMANN