nebensachen aus foz do iguazu: Grenzen dicht im Dreiländereck Südamerikas
WEGEN PUTSCHVERSUCH FÄLLT DER SCHMUGGEL HEUTE LEIDER AUS
Es hätte ein ganz normaler Ausflug nach Paraguay werden sollen. Im Dreiländereck Argentinien, Brasilien, Paraguay wollten wir nur noch kurz nach Ciudad del Este, der Schmugglerhauptstadt Lateinamerikas. Es fehlten noch ein paar Fotos, ehe wir am Nachmittag zum Flughafen fuhren, um die Heimreise anzutreten. Schnell lernten wir, dass das Normalste unmöglich werden kann in Paraguay.
Als wir in der Grenzstadt Foz do Iguazu ankamen, sahen wir schon von weitem, dass auf der „Brücke der Freundschaft“, die hier Brasilien mit Paraguay verbindet, kein Verkehr war. Das war seltsam. Täglich passieren tausende von Menschen zu Fuß, mit dem Mopedtaxi oder per Auto oder Linienbus die Grenzbrücke, um in Ciudad del Este billig einzukaufen. In riesigen Taschen schleppen sie Videorecorder, Zigaretten und gefälschte Fußballtrikots über die Grenze. Immer in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden – dann lässt sich die Ware nämlich vortrefflich in Brasilien verkaufen. Andere passieren die Brücke zehnmal am Tag, um legal möglichst viel Billigschrott auf die andere Seite zu schleppen. Nur heute nicht. Das 80 Meter hohe Ungetüm war leer. Stattdessen waren vor der Grenze auf brasilianischer Seite Sperrgitter aufgebaut. Dahinter gelangweilte brasilianische Grenzbeamte, davor genervte Reisende.
„Die Grenze ist zu“, sagt ein brasilianischer Grenzschützer. Das sehen wir, aber warum? „Militärputsch in Paraguay.“ Ach so. Klar. Was sonst? Liegt ja nahe. Der Beamte entschuldigte sich: „Aber das ist nicht unsere Schuld, die Paraguayer haben zugemacht, nicht wir. Auf der anderen Seite warten auch viele Brasilianer, die nicht rausdürfen. Aber die Paraguayer suchen ihn noch.“ Er, das ist General Lino Oviedo, der Anführer des Putsches, der nie selbst in Erscheinung getreten ist. Es war nicht das erste Mal, dass er versuchte, mit Panzern und Soldaten an die Macht im Operettenstaat Paraguay zu gelangen. In regelmäßigen Abständen terrorisiert das gewalttätige Großmaul die Politik des Landes.
Paraguayische Autofahrer stehen an der Brücke und können es nicht glauben. Sie stehen und warten. Es wird gegrillt. Um ein drittklassiges Straßentheater scharen sich gut hundert Menschen, um dabei zu sein, wenn sich zwei Typen mit einem Knüppel gegenseitig auf den Kopf hauen, ohne sich weh zu tun. Geschäftstüchtige Taxifahrer bieten mit Flüsterstimme an, einen über Schleichwege ins Land zu bringen. Ebenso wie in Ciudad del Este das Geschäftsleben ausfällt, verwandelt sich auf brasilianischer Seite Foz do Iguazu zu einem langweiligen Nest. Paraguayer, die jede Hoffnung aufgegeben haben, heute noch nach Hause zu kommen, haben eine Bar eingenommen, trinken „Bohemia“-Bier und spielen Pool. Und Brasilianer, die in Paraguay arbeiten, setzen sich an das Ufer des Parana-Flusses und schauen auf den Fluss. Heute haben sie frei. Die Ursache: höhere Gewalt.
Am Tag zuvor hätte alles noch richtig spannend werden können. Brasilianische Sicherheitsbeamte boten uns verschmitzt ein Interview mit Lino Oviedo an. Allerdings nicht umsonst, das ist doch klar. Schon lange war Oviedo untergetaucht, keiner wusste, wo er steckte. Nur unsere beiden Freunde offenbar. Vergeblich versuchten wir, ihnen die Vermittlungsgebühr für das Interview mit dem Argument auszureden, dass sich in Deutschland ohnehin niemand für Oviedo interessiere, obzwar Oviedo deutsch spreche und an der Bundeswehrführungsakademie ausgebildet worden sei. „Gut, dann halt nicht“, sprachen die verbeamteten Geschäftemacher. Am Freitag trafen wir sie noch einmal vor der geschlossenen Grenze. „Der Preis ist jetzt gestiegen“, sagten sie. Und grinsten. INGO MALCHER
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