nebensachen aus bukarest : Wie Journalisten in Rumänien den kleinen Widrigkeiten des Alltags trotzen
Schwein gehabt und dann doch wieder nicht
Frau T. arbeitet als Redakteurin bei einer großen Zeitung in der Hauptstadt. Ihre Zeitung ficht einen dramatischen Kampf gegen Betrug, Unterschlagung, Diebstahl, Raub und Korruption in Politik und Wirtschaft und überhaupt gegen alle derartigen Unregelmäßigkeiten und kleinen Abnormitäten des Alltags. Bei ihren Kollegen ist Frau T. beliebt. Sie gilt als ungewöhnlich arbeitsam und auffallend ehrlich, ohne dass sie mit diesem Verhalten andere unter Druck setzen würde, sei es auch nur indirekt.
Im Grunde aber betrachten ihre Kollegen sie vor allem mit einem Unverständnis, das aus tiefstem Herzen kommt und auch eine Spur aufrichtigen Mitleids enthält. Frau T. hat weder eine eigene Firma, noch sitzt sie in einem Aufsichtsrat. Nie lässt sie ihre Beziehungen spielen oder nutzt ihre Kontakte zu Politikern. Sie macht überhaupt keine Geschäfte. Ja, sie will nicht einmal den ihr zustehenden Anteil von den üblichen Werbeabschlagszahlungen der Parteien an die Redakteure haben.
Begründet hat Frau T. das nicht. Die Kollegen haben ihre Entscheidung respektiert. Manche glauben, dass dahinter irgendeine grundsätzliche Philosophie oder sogar Prinzipien zum Berufsethos stecken. Dabei könnte Frau T. ihren Anteil an den Zahlungen wirklich annehmen. Es ist seit langer Zeit Brauch, dass die Parteien, wenn sie Anzeigen oder Werbetexte veröffentlichen wollen, die Redakteure anrufen, die für sie zuständig sind. Die Redakteure leiten dann alles in die Wege. Entweder informieren sie die Anzeigenabteilung, oder sie schreiben einen Text, der am Ende mit einem kleinen Buchstaben gekennzeichnet ist, der für das Wörtchen „Reklame“ steht. Dafür bekommen sie zehn Prozent des Anzeigenpreises.
Die Parteileute sind korrekt und beschweren sich fast nie, wenn dann beizeiten auch wieder ein kritischer Artikel über sie erscheint. Sicher, da sind die Fälle von Journalisten anderer Medien, die es tatsächlich übertrieben haben. Frau J. hatte eine Affäre mit dem Botschafter eines kleinen, aber wichtigen europäischen Landes, sich von diesem aushalten lassen und gleichzeitig die Informationen, die sie von diesem bekam, an den Geheimdienst verkauft.
Oder der Journalist B. Er ist bekannt dafür, dass er seine Beiträge unter dem Gesichtspunkt privater Bedürfnisse verfasst. Ist seine Waschmaschine defekt, so lässt er diese nicht reparieren, sondern schreibt einen Beitrag über die Vertretung einer bekannten Waschmaschinenmarke, und das nicht, ohne gratis ein Testexemplar zu erbetteln. So ist B. im Laufe der Jahre zum glücklichen Besitzer eines Einfamilienhauses geworden. Nur das Grundstück musste er bezahlen. Schließlich gibt es auch noch die wirklich hässlichen Fälle wie den des Chefredakteurs S., der Unternehmen droht, schädigend über sie zu berichten, wenn sie keine Anzeigen mehr in seiner Zeitung platzieren.
Frau T. hat kürzlich kritisch über einen Regierungspolitiker berichtet, der aktiv im Bereich der Landwirtschaft tätig ist. Ein paar Tage danach stand dessen Chauffeur vor Frau T.s Büro. Mit einem Gehilfen hatte er eine ganze Schweinehälfte in den vierten Stock gewuchtet. Frau T. lehnte ab. Einige Kollegen schüttelten den Kopf über so viel Anstand. Inzwischen überlegen sie, ob sie selbst öfter kritisch über bestimmte Personen berichten sollen. KENO VERSECK