nebensachen aus brandenburg (teil 9) : Stahl und Stau: Potsdam-Mittelmark
In Brandenburg wird am 19. September ein neuer Landtag gewählt. Die taz stellt bis zur Wahl die 14 Brandenburger Landkreise vor. Heute: Potsdam-Mittelmark.
Das Bekannteste des Landkreises, der die beiden kreisfreien Städte Brandenburg und Potsdam umschließt, sind nicht das Schloss Sanssouci, das Obst aus Werder oder der Spargel aus Beelitz – die bekanntesten Punkte sind fast täglich in den Lokalnachrichten: Autobahndreieck Werder, Dreieck Potsdam, Dreieck Nuthetal.
Potsdam-Mittelmark ist ein Transitkreis. Zwei der drei wichtigsten Straßenverbindungen zwischen Berlin und den alten Bundesländern führen hier durch: die A 2 Richtung Magdeburg/Hannover und die A 9 Richtung Leipzig/München. Entsprechend oft ist Stau ein Thema. Verglichen mit den Wartezeiten am Westberliner Transitkontrollpunkt Dreilinden, wo heute eBay residiert, sind die Stau-nach-Unfall-Verzögerungen aber harmlos. Wer trotz Stau Zeit hat, sollte auf dem Ost-West-Transitrastplatz Michendorf pausieren: Hier trafen sich Ostler und Westler heimlich, tauschten nicht Worte wie „Besserwessi“ und „rote Socke“ miteinander, sondern Kaffee und Schweinefleisch.
Dennoch will der Landkreis vom Transit-Image wegkommen, verweist auf eine geringe Arbeitslosen- und hohe Wissenschaftlerquote. Abseits der Autobahnen gebe es viel zu entdecken, heißt es. So sollen die Reisenden in Landgasthöfe gelockt werden. Oder ins Industriemuseum im ehemaligen Stahlwerk in Brandenburg. Oder ins dortige Stadttheater. Das sorgt mit dem globalisierungskritischen Stück „McKinsey kommt“ von Rolf Hochhuth für Furore.
Eine Brandenburger Unart ist auch im Landkreis zu erleben: Nicht alle Fremden sind willkommen. Als 1997 rund 60 jüdische Aussiedler aus Russland in Gollwitz untergebracht werden sollten, ging ein Sturm der Entrüstung durch das Dorf. Der Protest der Gollwitzer, die ihre Ablehnung zum Teil offen antisemitisch ausdrückten, hatte Erfolg. Die Juden kamen nicht, stattdessen entsteht nun im Schloss eine Begegnungsstätte – für den jüdisch-nichtjüdischen Dialog.
RICHARD ROTHER
Am Dienstag: Kreis Havelland