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Archiv-Artikel

nachruf God bless you please, Mrs. Robinson

Anne Bancroft – ist das nicht? Ja, sie ist es: Mrs. Robinson, die den damals noch jungen und unbekannten Dustin Hoffman im Filmklassiker „Die Reifeprüfung“ von 1967 verführte, aber dessen Liebe zu ihrer Tochter doch nicht verhindern konnte. Nun ist Anne Bancroft tot. Die amerikanische Schauspielerin starb am Montag in New York an Krebs. Sie wurde 73 Jahre alt.

Die Rolle der Mrs. Robinson blieb ihr zeitlebens anhaften – wohl auch weil der gleichnamige Song von Simon & Garfunkel so erfolgreich wurde. „Alle reden nur von ‚Mrs. Robinson‘. Ich verstehe es ja, aber ich bin doch enttäuscht, dass die Leute noch nicht darüber hinweg sind“, beklagte sie sich vor zwei Jahren in einem Interview.

Dabei hatte Bancrofts Filmkarriere, die 1952 neben Marilyn Monroe in „Versuchung auf 809“ begann, bereits 1962 einen Höhepunkt erreicht – mit dem Oscar für ihre Darstellung der Lehrerin einer blinden und taubstummen Frau in Arthur Penns Broadway-Adaption „Licht im Dunkel“. Die 1931 als Anna Maria Louisa Italiano in der Bronx geborene Italo-Amerikanerin war noch viermal für den Oscar nominiert, unter anderem für „Die Reifeprüfung“.

Mit dem Gewinn des Emmys 1999 stieg Anne Bancroft in den Club der 15 Schauspieler auf, die alle drei wichtigen amerikanischen Auszeichnungen gewonnen haben, „the triple crown of acting“. Den Theaterpreis Tony hatte sie bereits 1958 und 1960 gewonnen, Letzteren übrigens für die gleiche Lehrerinnen-Rolle, die ihr zwei Jahre später den Oscar einbringen sollte.

1964 heiratete Anne Bancroft in zweiter Ehe den Filmemacher Mel Brooks, den sie bei einer Talkshow kennen gelernt hatte. Der Legende nach bestach Brooks eine Mitarbeiterin der Show, damit diese ihm verrät, wo Bancroft anschließend essen geht. Später erzählte sie: „Als Mel seiner jüdischen Mutter anvertraute, ein italienisches Mädchen heiraten zu wollen, sagte die: ‚Bring sie vorbei. Ich werde in der Küche auf sie warten – mit meinem Kopf im Backofen.‘“ Auftritte in Brooks-Filmen folgten, unter anderem im Remake des Lubitsch-Klassikers „Sein oder nicht sein“.

Mike Nichols, der Regisseur von „Die Reifeprüfung“, rühmte Bancroft als einzigartige Schauspielerin. „Ihre Kombination aus Verstand, Humor, Offenheit und Gefühl war einmalig“, erklärte er. „Ihre Schönheit hat sich ständig mit ihren Rollen gewandelt, und weil sie eine großartige Schauspielerin war, hat sie sich für jede Darstellung radikal geändert.“ Damit widersetzte sie sich nachhaltig dem Diktat der Hollywood-Studiobosse, die sie zunächst auf den Rollentyp der „schwarzhaarigen Unschuld“ festlegen wollten. Zum Glück hat sie sich nicht dran gehalten.

DAVID DENK