nachruf : Zu genial für den Massenerfolg
30 Theater und Verlage hatten das Stück „Magic Afternoon“ abgelehnt, bevor es 1968 in Hannover uraufgeführt wurde. Damit begründete es den Ruhm des bis dahin weitgehend unbekannten Grazer Autors Wolfgang Bauer, der im Alter von 64 Jahren gestorben ist.
In Österreich provozierte das tödliche Drama um vier gelangweilte junge Leute, die sich so ziel- wie planlos mit Alkohol, Drogen und Sex betäuben, einen Skandal. Nicht nur wegen seines als amoralisch empfundenen Inhalts, sondern auch weil der Einsatz von Dialekt abseits der Bauernbühnen mit einer Tradition brach. Aber ein Skandal ist bekanntlich eine gute Voraussetzung für Erfolg. Sein nächstes Drama, „Change“, die Geschichte eines von geldgeilen Managern manipulierten Malers, wurde Bauer buchstäblich aus der Hand gerissen und sofort zum Bühnenerfolg. Geifernde Anrufer im steirischen Rundfunk, die forderten, dass derartige Schädlinge „wie Borkenkäfer vergast“ werden sollten, verstummten bald. Die literarische Avantgarde saß damals im Grazer Forum Stadtpark. Peter Handke wurde dessen berühmtester Vertreter, Wolfgang Bauer der zunächst umstrittenste. Spätestens mit der Verleihung des österreichischen Staatspreises 1994 wurde Bauer in die Kategorie der etablierten Künstler gezwängt. Weitere Ehrungen folgten.
Auf die Frage, was er denn so schreibe, antwortete Bauer einmal: „Verschiedenes“. In der Tat hat der studierte Theaterwissenschaftler mit akademischen Ausflügen in die Romanistik, Jurisprudenz und Philosophie nicht nur Theaterstücke und Hörspiele verfasst, sondern auch jede Menge Gedichte, Kurzprosa, Essays, Mikrodramen und den Briefroman „Der Fieberkopf“. Sein Werk wurde in 24 Sprachen übersetzt und in 35 Ländern aufgeführt oder verlegt. Massenerfolge blieben aber aus. Die Neuinszenierung von „Change“, kürzlich am Wiener Volkstheater wurde nur ein mäßiger Erfolg. Was vor über 30 Jahren aufregte, bekam nur mehr höflichen Applaus.
Bauer war ein manischer Schreiber, der sich der literarischen Einordnung entzog. Auch aus politischer Polemik hielt er sich heraus. Sein Freund und Schriftstellerkollege Gerhard Roth sah in Wolfgang Bauer einen Menschen, „der die Ideologien abgelehnt hat, weil sie ihm die Sicht auf die Existenz verstellt haben“. Für Handke war der Verstorbene „in jungen Jahren das einzige Genie in Österreich“. Mit seinem immer surrealistischer werdenden Werk habe er dann „vielleicht zu sehr das Genie gesucht und noch erreichen wollen“. Bauer selbst – und nicht nur er – hatte sich gewundert, dass er über 60 Jahre alt wurde. Von Alkohol, Nikotin und Übergewicht gezeichnet, erlag er in Graz seinem Herzleiden. RALF LEONHARD