nachruf: In jeder Rolle glaubhaft
Als 15-jährige Waldorfschülerin debütierte Johanna Sällström in einer Laienvorstellung von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“. „Damit fing eigentlich alles an, mein Berufswunsch war dann klar“, erzählte sie später. Nach Besuch eines Theatergymnasiums bekam sie 1993 ihre erste Rolle in der TV-Verfilmung der in Schweden sehr populären Jugendbuchreihe „Bert“, ein Jahr später die Hauptrolle in der TV-Soap „Tre Kronor“ – der Durchbruch.
Für die von ihr verkörperte heroinabhängige Sandra im Film „Under ytan“ („Unter der Oberfläche“) wurde Sällström 1998 der „Guldbagge“, der angesehenste schwedische Filmpreis, verliehen. „Von einem kleinen Mädchen bis zu einer schwer Heroinabhängigen kann sie jede Rolle glaubhaft vertreten“, lobte damals ein Filmkritiker. Die Regisseurin Alexandra-Therese Keining, die mit ihr in „Hot dog“ zusammenarbeitete, war begeistert von ihrer „geradezu unglaublichen Verwandlungsfähigkeit“: „Ich habe nie mit Johanna Sällström gearbeitet, sondern immer nur mit der Rollenfigur, die sie gerade spielt.“
Für Johanna Sällström war wohl schon damals die plötzliche Medienaufmerksamkeit mehr, als sie verkraften konnte. Um dem Trubel zu entrinnen, zog sie nach Kopenhagen und nahm nur noch kleinere Rollen vorwiegend in TV-Produktionen an. Vor und nach den Wallander-Verfilmungen, die bei den meisten schwedischen KritikerInnen keine Gnade fanden, spielte Sällström, die eine fünfjährige Tochter hinterlässt, vor allem Theaterrollen.
Als Linda, die Tochter von Kommissar Wallander, kennt man die schwedische Schauspielerin Johanna Sällström auch in Deutschland. Mehr als die bislang 13 Verfilmungen von Henning-Mankell-Romanen wird es mit dieser Linda aber nicht mehr geben. In der Nacht zum Mittwoch fand man die 32-jährige Schauspielerin tot in ihrer Wohnung in Malmö. Sie hinterlässt eine 5-jährige Tochter. Angehörige hatten die Polizei alarmiert, die aber vermutlich nicht ermitteln muss. „Nichts deutet auf ein Verbrechen hin“, sagt Eva Westford, Sprecherin des zuständigen Polizeibezirks.
Schwedische Medien vermeiden zwar die Wörter „Freitod“ und „Selbstmord“, weisen jedoch auf Sällströms langjährige Depressionen hin. Die in Stockholm geborene Schauspielerin hatte in Interviews nie ein Geheimnis daraus gemacht. Immer wieder hatte sie von einem „fürchterlich schlechten Selbstvertrauen“ gesprochen, das sie so „verdammt leid“ sei, aber nicht überwinden könne. „Irgendwann verschwindet die ganze Freude, die ich eigentlich mit meinem Beruf erlebe“, hatte sie vor zwei Jahren zu Protokoll gegeben.
REINHARD WOLFF
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