nachruf auf gerhard beier-herzog : Ohne Toleranz kein Zusammenleben
Gerhard Beier-Herzog, hauptamtlicher Ver.di-Gewerkschafter und einst einer der inspiriertesten Aktivisten der Schwulenbewegung, ist gestorben
Wen man auch fragt, dieser Mann war anderen Menschen angenehm. Ein alles in allem untersetzt wirkender Bayer, bärtig, eher tapsig in der Bewegung, ausgerüstet mit einer sonoren Stimme, die allerdings schon nach wenigen Sätzen eine gewisse Entschiedenheit in Debatten nicht verhehlen konnte: Gerhard Beier-Herzog war ein klar denkender Organisator, ein Motivator obendrein – mitreißend beim Aufbau neuer Projekte ohnehin.
1944 in München geboren, zuletzt in der Verwaltung beim Bundesvorstand der Gewerkschaft Ver.di tätig, fand er, einst verheiratet und bis zum Schluss gerne Vater einer Tochter, erst Ende der Siebziger zu seinem Coming-out. Und bei dieser Gelegenheit den Weg zur Berliner AHA, der Allgemeinen Homosexuellen Arbeitsgemeinschaft. Diese Gruppe stand in Kontrast zu den eher auf Selbstfindung getrimmten Teilen der frühen Schwulenbewegung.
Beier-Herzog fochten diese Konflikte kaum an, gleichwohl erlitt er in diesen Tagen seine politisch größte Niederlage: 1979 war er der wichtigste Organisatior der so genannten Beethovenhallen-Veranstaltung. Eingeladen waren zum 12. Juli jenes Jahres Vertreter der damals etablierten Parteien – und erstmals ließen die sich auch bitten, tatsächlich in einen Dialog mit homosexuellen Interessen zu treten. Allerdings hatten Beier-Herzog und Companeros nicht damit gerechnet, dass ihr realpolitischer Ansatz den Hass der autonomen Schwulenbewegung auf sich ziehen würde. Ehe die Diskussion auf dem Podium beginnen konnte, sprengten die Gegner des Events das Forum – mit Geschrei, Gelächter und etlichen Ampullen Buttersäure. Über diese Sabotage kam der Wahlberliner nie ganz hinweg – wenn die Schwulenbewegung einen wie ihn nicht wolle, müsse er woanders rührig werden.
Der Politologe, den man als sinnenfroh, kräftig, viril und extrem kommunikativ beschreiben kann, konzentrierte sich auf Gewerkschaftsarbeit – und wurde von ihr, in der offenbar wenig gemobbt wurde als in Homozusammenhängen, nach der Wende mit dem Aufbau von demokratischen Organisationsstrukturen in Sachsen beauftragt. Beier-Herzogs Credo, fern von Selbstbespiegelung, lautete: Ohne Toleranz und Liberalität lohnt sich kein Zusammenleben. Er hat für diese Haltung gekämpft, als ginge es ums Wichtigste. Vor zwei Jahren diagnostizierte man bei ihm viel zu spät eine Krebserkrankung. Ihr erlag er am 11. Dezember in Berlin.
JAN FEDDERSEN