nach gerster : Ende einer Scheinwelt
Von kleinen Kindern kennt man das: Wenn sie sich verstecken wollen, halten sie sich die Augen zu: „Ätsch, doofe Welt! Ich bin weg!“ Doch das sind sie nicht – sie bleiben kleine Kinder, die sich die Augen zuhalten.
KOMMENTAR VON BARBARA DRIBBUSCH
Ähnlich magisch sollte die Arbeitsämterpolitik Florian Gersters (SPD) funktionieren: Wir tun einfach so, als sähen wir die reale Situation auf dem Jobmarkt nicht mehr. Wir halten uns die Augen zu, nennen uns „Agentur für Arbeit“ und machen die Arbeitslosen zu Kunden – und schwuppdiwupp sieht alles ein bisschen freundlicher aus.
Diese Imagepolitik Gersters, die immer auch die von Rot-Grün war, ging nach hinten los. Und das lag nicht nur an seiner Person. Es stimmt zwar, Gerster ist es nicht gelungen, die Funktionen der Arbeitsämter als Sozialbehörden und Jobagenturen zu integrieren. Ähnlich wie der frühere IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler wirkte Gerster immer ein wenig zu elegant, um eine Institution zu verkörpern, die die Schwachen schützen soll.
Doch unerträglich ist nicht Gerster, sondern die rot-grüne Ideologie, die er vertrat. Das Herumschwadronieren über „mehr Eigenverantwortung“ der Arbeitslosen ist in Zeiten eines schrumpfenden Jobmarkts einfach nicht mehr anzuhören. In bestimmten wirtschaftsschwachen Regionen ist heute jeder inserierte Putzjob heiß umkämpft. Joblosen, die einen Hundeausführservice gründen, mag man zwar alles Gute wünschen. Als Lösungsmodelle für die Beschäftigungsmisere in Deutschland jedoch taugen sie nicht.
Die Bundesagentur für Arbeit ist eine Sozialbehörde – jeder, der dort Chef werden will, muss sich dieser Aufgabe auch annehmen. Für ältere, angeschlagene Erwerbslose macht nur noch der Sachbearbeiter beim Arbeitsamt den Unterschied aus zwischen völliger Chancenlosigkeit oder doch noch einer Beschäftigungsmaßnahme, ein paar Euro hier oder da. Zudem steuert Deutschland auf eine neue Armutsdiskussion zu – die Frage, was mit den nicht mehr einstellungsfähigen Langzeitarbeitslosen geschehen soll, hat auch Gerster nicht beantworten wollen.
Gesucht wird also ein Behördenchef, der sich den Realitäten stellt und die gesamte Klientel der Arbeitslosen im Blick behält. Der den Mut hat zu Ehrlichkeit und sich nicht mit Managementkauderwelsch in rot-grünes Wunschdenken flüchtet. Arbeitslosigkeit entzieht sich der Scheinrationalität, mit der die Wirtschaft oft operiert. Gersters Nachfolger sollte das wissen.