morgen: : Kaffeetrinken mit S
Wahnsinnig schick sieht das Café Moskau in der Karl-Marx-Allee inzwischen aus, und den offenen Sportwagen nach zu schließen, die davor parken, ist es genau der richtige Ort für Martin Schachts neuen Berlinroman „Straßen der Sehnsucht“. Das Mittevolk, das Schacht in seinen früheren Romanen beim Leben beobachtete, ist inzwischen vom Katzenjammer geplagt. „Die Achtzigerjahre waren Gold und Schwarz und breite Schultern, die Neunziger eine Melange aus Techno, neuer Bescheidenheit und Internetblase. Aber wie definiert man die Nullerjahre oder wie sie heißen?“, grübelt Hanno in „Straßen der Sehnsucht“. Hanno ist Besitzer einer Agentur, er hat Sex mit seinen Praktikantinnen, aber auch ihm macht die Sinnkrise zu schaffen. Scheiße, was für ein Logo soll man bloß nehmen? Das Café Moskau selbst wäre vielleicht sogar eine Lösung, denn ihm ist es ähnlich ergangen wie den Helden von Martin Schacht. In den Sechzigern stellte es den Anschluss der DDR zur architektonischen Moderne her, die Sowjetunion spendete ein Sputnikmodell, in den Salons wurde geprunkt und getafelt. In den Achtzigern empfand man es als zu kalt, in den Neunzigern kamen schließlich gar keine Gäste mehr, und es regnete zum Dach herein. Traurige Geschichte.