morgen : Seelenmusik
Sie liegen in dunklen Sälen im Halbschlummer, eingetaucht in hochprozentigen Alkohol: die Missbildungen, Wasserköpfe und abgetriebenen Föten im Medizinhistorischen Museum der Charité. Gegen sie wirkt das Getöse um die Körperwelten eines Professor von Hagens geradezu lächerlich, denn seinen Plastikfiguren sieht man ja nicht an, dass sie tot sind, das heißt einmal Menschen waren. Ganz anders in der Charité, wo das weiche, verletzliche Fleisch gelagert wird, in dem eine Seele war, die nun fehlt. Sie den Toten wiederzugeben, und sei es nur für die Dauer eines Konzerts, tritt am Samstag und Sonntag Eberhard Kloke mit seinem Musikprojekt „Das Urteil“ an, und zwar jeden Tag mit zwei Programmen in der Hörsaalruine des Medizinhistorischen Museums. In Programm eins geht es um die Stimme, oft als Ausdruck der Seele betrachtet, dargestellt an Ausschnitten von Monteverdi, Sciarrino, Wagner und Cage. In Programm zwei kommt dann die titelgebende Kafka-Erzählung dran, aus der Seele einer multiplen Schauspielerpersönlichkeit gesprochen. Dazu erklingen Mahlers „Lied von der Erde“ und Bergs „Altenberglieder“. Die Konzerte bilden den Abschluss einer Veranstaltungsreihe, die das Verhältnis von Musik, Raum und Publikum untersucht.