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Archiv-Artikel

monday mirror Willst du mich verheiraten?

taz-Redakteurin Susanne Lang arbeitet zurzeit bei der Tageszeitung Guardian in London. In ihrer wöchentlichen Kolumne schreibt sie über die britischen Medien.

Eine Frau, geboren in Westeuropa, mit sogenanntem Migrationshintergrund, zwei Kinder, hat eine brillante Geschäftsidee: Sie nutzt ihre positive Erfahrung mit einer arrangierten Ehe und hilft all den verzweifelten modernen Singles um die 30, die den einen Mann fürs Leben suchen, bisher aber an den Umständen einer modernen, liberalen Gesellschaft gescheitert sind. Menschen wie Alexandra, 33, der erfolgreichen Geschäftsfrau mit Karriere, Haus, Sportwagen und Sportpferd, aber ohne Mann.

Und weil diese Idee so neu und so im Diskurs und gleichsam so aufregend ist, zeigt das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht nur Interesse daran, sondern gleich eine fünfteilige Doku-Soap. Eine moderne Form der im Westen verpönten Zwangsehe, legitimiert in Form einer gebührenfinanzierten Kuppel-Doku?

Was in Deutschland bisher unvorstellbar ist, unterhält seit vergangener Woche das britische Fernsehpublikum. Immer donnerstags darf die adrette Aneela, geboren in Glasgow, asiatischer Abstammung, auf BBC2 ihre großen dunklen Augen rollen angesichts der desolaten Lage junger BritInnen, die sich im kapitalistischen System ganz nach oben gearbeitet haben und trotzdem unglücklich sind, da der Partner zum Glück leider fehlt.

Aneelas Lösung für die Misere: Hört auf, betrunken an Bars nach dem Traumpartner zu suchen, lasst das mal lieber die Familie und den Freundeskreis erledigen. Wichtigste Regel: Klassenzugehörigkeit und familiärer sowie beruflicher und ethnischer Hintergrund seien die entscheidenden Parameter für eine glückliche Ehe – sie müssten übereinstimmen.

Selbst für distinktionsfreudigere Briten wie Alexandra, Spitzname Lexi, war dies denn in der Auftaktfolge von „Arrange Me A Marriage“ ein wenig zu viel. „Die Klasse und all der Rest ist doch nicht wichtig, entscheidend sind die Gefühle füreinander.“ Tja. Wer an diesem Punkt der Sendung dachte, diese Doku-Soap würde sich nun in den Wirren und Kompliziertheiten des modernen Paardiskurses verstricken – weit gefehlt. Die BBC bietet ihren ZuschauerInnen vielmehr einen einfach lebbaren Traum: einen Partner, in Lexis Fall heißt er Nick, der nicht nur perfekt gecastet ist, sondern praktischerweise gleich vor dem „Introduction“-Abend, dem Höhepunkt der Sendung, von Freunden und Mama und Papa und Geschwistern auf seine Tauglichkeit hin getestet wurde. Et voila: die moderne Variante der arrangierten Ehe, das neue Erfolgsgeheimnis aller Paare.

Selbstverständlich sehen Lexi und Nick am Ende sehr glücklich aus. Wie füreinander bestimmt quasi. Denn was zählt, so legt es die Soap sehr nahe, ist: die Familie als Wert über allen. Was im britischen Fernsehen ganz nebenbei in einer Unterhaltungssendung verhandelt wird, kennen Deutsche von der leidigen und nicht totzukriegenden Familien-Mutter-Debatte. Nicht auszudenken, was passiert, falls Eva Herman von Aneelas Geschäftsidee erfahren sollte. Immerhin, ein Trost: Beim NDR hätte sie damit schon mal keine Chance.