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Archiv-Artikel

misik ist genial dagegen Was heißt noch mal „links“?

ROBERT MISIK

ist G-8-Kolumnist der taz. 2005 erschien von ihm „Genial dagegen. Kritisches Denken von Marx bis Michael Moore“.

Man hört das in diesen Tagen mit gedrängter Häufigkeit, und zwar auch von wohlmeinenden Menschen: Ja, was wollen die eigentlich? Was ist es, wofür sich ein Linker von heute einsetzt? Diese Frage lässt sich natürlich nicht leicht beantworten, und wer glaubt, mit dem Runterrattern der gefühlten dreihundert Forderungen aus dem Attac-Katalog sei die Skepsis aus der Welt geschafft, die in dieser Frage mitschwingt, der täuscht sich.

Denn in Wirklichkeit ist damit gemeint: Die Linke hat heute keine Groß-Idee mehr. Früher hatte sie ja noch ein Idealbild von der guten Gesellschaft vor Augen und auch noch eine Art Fahrplan parat, wie man vom heutigen Schlechten zum morgigen Paradies kommt: Machtübernahme des Proletariats, Vergesellschaftung der Produktionsmittel, Gemeinschaftseigentum.

Dieser Glauben an die einfachen Lösungen ist perdu. Paradoxerweise hat diese Form des Ideologischen nur mehr in Gestalt der schwarzen Utopie der Neoliberalen überlebt. Die Glauben ja im Ernst, mit: „Steuern runter! Sozialstaat verschlanken! Investitionshemmnisse wegräumen!“ würde alles wunderbar.

Unlängst fragte mich glatt einer: Diese Linken, das seien doch intelligente Leute, warum sind die so gut im Dagegensein, aber so schwach im Dafürsein. Na, eben ein bisschen auch, weil sie so intelligente Leute sind, antwortete ich. Man weiß, was schlecht läuft. Aber man weiß auch, dass es ganz schön schwierig ist, in komplexen Gesellschaften gleichzeitig für mehr Gerechtigkeit, mehr globale Fairness und wachsenden Wohlstand zu sorgen. Ein moderner Linker denkt etwa so: Es ist schlecht, dass es eine krasse Ungleichheit an Lebenschancen gibt, und es ist noch schlechter, dass diese Ungleichheit gerade in einer Zeit dramatisch zunimmt, in der der Reichtum rasant wächst. Manche dieser Ungleichheiten sind leichter zu bekämpfen, manche schwerer. Es ist ein Skandal, dass meist nicht einmal versucht wird, die Maßnahmen zu setzen, die leichter zu setzen sind. Kurzum: Man kann die Welt verbessern, ohne dass man an die Verwirklichung des Paradieses auf Erden glauben muss.

Eigentlich muss man sehr verbohrt sein, wenn man behauptet, diese kluge Einsicht beweise eine Krise der Linken.